„Größtmöglicher Handlungsspielraum“ für NRW-Kommunen und ein bisschen Schweiz in NRW: Unterschwellenvergabe erleichtert
Kommunen haben bei der Durchführung förmlicher Vergabeverfahren erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. Dies wird häufig als Grund dafür angeführt, dass Beschaffungsvorhaben entweder gar nicht oder nur verzögert umgesetzt werden können.
Dieses Problem soll der aktuelle Gesetzesentwurf in Nordrhein-Westfalen (NRW) adressieren. Schon bisher hatte NRW innerhalb der Vergabegrundsätze eigene Erleichterungen begründet, die sich von anderen Bundesländern deutlich unterscheiden. Der Gesetzesentwurf geht nun noch einen deutlichen Schritt weiter: Nach diesem können die NRW-Kommunen unterhalb der EU-Schwellenwerte Waren und Dienstleistungen grundsätzlich frei beschaffen, solange sie wirtschaftlich, effizient und sparsam handeln sowie die vergaberechtlichen Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz beachten. Die bisher geltenden Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) werden für die Kommunen nicht mehr verpflichtend sein.
Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Gemeinde selbst eigene Vergaberegelungen durch den Beschluss einer Satzung erlassen darf.
Durch die Entkopplung der kommunalen Ausschreibungen von der VOB/A wird laut NRW-Normengeber in NRW das sogenannte „Schweizer Modell“ eingeführt, nachdem die jeweilige Kommune selbst entscheiden kann, ob und in welcher Form sie eigene Beschaffung organisiert. Der Landesgesetzgeber erhofft sich, dass diese Liberalisierung des Vergaberechts wesentlich zum Abbau von Bürokratie beitragen wird.
Der Entwurf an sich und der neu eingefügte § 75a Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) sprechen allerdings nur von Kommunen. Der persönliche Anwendungsbereich erstreckt sich nicht auf die Kreise, sodass diese weiterhin die für die Unterschwellenvergaben vorgesehenen UVgO und VOB/A zu beachten haben.
Zusammenfassend haben die geplanten Änderungen das Potential, den Kommunen mehr Flexibilität und Autonomie in ihren Beschaffungsaktivitäten zu verschaffen, während die Einhaltung von Transparenz und Fairness bei der Vergabe weiterhin gewährleistet werden soll. Demgegenüber besteht aber das Risiko für Bieter, dass die mögliche Vielfalt eigener kommunalen Vergaberegelungen das Dickicht der vergaberechtlichen Regelungswelt nicht übersichtlicher machen wird. Weiter stellt es die Kommunen vor die Herausforderung, zu entscheiden, wie sie die Grundsätze der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung gewährleisten sollen. Sie müssen eigene Regelungen erlassen. Ein Weg könnte darin liegen, sich grundsätzlich an der UVgO zu orientieren, aber verschiedene Regelungen davon auszunehmen. Ein Blick in die Allgemeinen Nebenbestimmungen des Bundes könnte hier einen ersten Ansatz geben. Diese Bestimmungen geben Fördermittelempfängern, die nicht selbst originär dem Vergaberecht unterliegen, die Anwendung der UVgO auf. Gleichzeitig erklären sie verschiedene Regelungen (z.B. den Grundsatz der losweisen Vergabe) für nicht anwendbar.
Der Entwurf ist als Vorlage 18/3597 in der Parlamentsdatenbank des Landtags NRW abrufbar.
Co-Autorin dieses Beitrags ist Hanna Fuhrmann.