Gesellschaftsrecht

Absolutes Novum: Gesetzgeber ermöglicht die Online-Gründung einer GmbH

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) wurde die gesetzliche Grundlage für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im Wege eines digitalen notariellen Verfahrens geschaffen. Künftig soll es Gründern aus dem In- und Ausland über Ländergrenzen hinweg innerhalb weniger Tage möglich sein, auf bequeme und einfache Art und Weise eine GmbH ohne persönliches Erscheinen vor dem Notar zu errichten.

Hintergrund

Im Juni 2021 haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) beschlossen. Damit wurde die europäische Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht in nationales Recht umgesetzt. Die Richtlinie ist Teil des sog. Company Law Package der Europäischen Union. Das Gesetz, das nach Auskunft des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz demnächst verkündet werden soll, tritt am 1. August 2022 in Kraft und sieht unter anderem Regelungen zur Online-Gründung einer GmbH sowie weitere Online-Verfahren für Registeranmeldungen bei Kapitalgesellschaften vor. Daneben enthält das Gesetz neue Regelungen zur Offenlegung von Registerinformationen und den damit verbunden Gebühren sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch.

Inhalte

Das DiRUG ermöglicht natürlichen und juristischen Personen erstmalig die Bargründung einer GmbH sowie auch einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wege eines notariellen Online-Verfahrens. Dabei sieht das DiRUG die Möglichkeit vor, dass sich die Gründer durch einen Bevollmächtigten aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht online vertreten lassen. Bislang ist für eine GmbH-Gründung das physische Erscheinen sämtlicher Gründer bzw. der von diesen Bevollmächtigten vor dem Notar zum Zwecke der Beurkundung zwingend erforderlich. Die Gründungsurkunde muss den Gründern in Gegenwart des Notars vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Künftig kann dieses Verfahren durch ein Online-Meeting mittels Videokommunikation mit dem Notar ersetzt werden. Ebenfalls möglich ist die Vornahme einer gemischten Gründung durch eine Kombination aus Online- und Präsenzverfahren. Die Vornahme einer ausschließlich analogen Gründung bleibt als Regelfall bestehen.

Grundlage für das neue Online-Verfahren wird ein von der Bundesnotarkammer bis zum 1. August 2022 auszurollendes Videokommunikationssystem sein, über das die Gründer die Beratungsleistungen des Notars in Anspruch nehmen können. Über das System kann mit dem Notar in Echtzeit kommuniziert werden. Gleichzeitig dient es der elektronischen Übermittlung von Dokumenten und Vertragsentwürfen. Der Notar kann über die Distanz Willenserklärungen der Beteiligten beurkunden und die Beglaubigung von elektronischen Signaturen vornehmen. An die Stelle einer notariellen Niederschrift in Papierform tritt eine elektronische notarielle Niederschrift der Gründungsurkunde. Die Unterschriften der Beteiligten und des Notars werden durch qualifizierte elektronische Signaturen ersetzt, die über das System zur Verfügung gestellt werden. Die Handelsregisteranmeldung durch den neu bestellten GmbH-Geschäftsführer kann entweder notariell beglaubigt werden oder im Online-Verfahren mittels elektronischer Signatur erfolgen.

Voraussetzung für die Nutzung des Videokommunikationssystems ist die sichere Identifizierung der Beteiligten über ein Zwei-Faktor-Verfahren. In einem ersten Schritt erfolgt eine elektronische Identifizierung durch einen elektronischen Identitätsnachweis wie beispielsweise den Personalausweis mit eID-Funktion. In einem zweiten Schritt wird das Lichtbild aus dem Chip eines NFC-fähigen Personalausweises bzw. Reisepasses ausgelesen und vom Notar mit dem Erscheinungsbild der Beteiligten verglichen. Nutzer des Videokommunikationssystems können nur solche Personen sein, die über die zugelassenen elektronischen Identifizierungsmittel verfügen. Die Nutzung ist Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten vorbehalten. Die Möglichkeit einer Identifikation über das Online-Verfahren für Personen aus Drittstaaten sieht das DiRUG nicht vor.

Für das Auslesen der eID bzw. des Lichtbilds stellt die Bundesnotarkammer eine kostenfreie App zur Verfügung, die über das Smartphone der Beteiligten bedient werden kann. Daneben benötigen die Beteiligten lediglich einen PC bzw. Laptop mit Kamera und Mikrofon sowie eine stabile Internetverbindung. Zur Wahrung des hoheitlichen Charakters des Beurkundungsverfahrens und um unberechtigte Zugriffe Dritter auf sensible Daten auszuschließen, ist die Durchführung einer Fernbeurkundung ausschließlich auf das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer beschränkt. Die Nutzung heute marktüblicher sonstiger Kommunikationssysteme ist nicht zugelassen.

Neben der Bargründung einer GmbH bzw. UG (haftungsbeschränkt) beschränkt sich das Online-Verfahren auf die Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen von Kapitalgesellschaften (GmbH/UG, AG, KGaA). Der deutsche Gesetzgeber hat von seinem in der europäischen Richtlinie gewährten Wahlrecht, die Erleichterungen eines digitalen Verfahrens insbesondere auch für die Gründung von Aktiengesellschaften und für Sachgründungen gelten zu lassen, keinen Gebrauch gemacht. Des Weiteren findet das Online-Verfahren auch keine Anwendung auf die Beurkundung von sonstigen beurkundungsbedürftigen Willenserklärungen, etwa im Rahmen von Satzungsänderungen, der Veräußerung von GmbH-Anteilen und Umwandlungsvorgängen. Sie können weiterhin ausschließlich in Form eines notariellen Präsenztermins beurkundet werden.

Praxishinweis

Das ab 1. August 2022 zur Verfügung stehende notarielle Online-Verfahren ist ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung im Gesellschaftsrecht. Es ist jedoch unklar, ob es in der Praxis maßgeblich zur beabsichtigten Beschleunigung des Gründungsverfahrens beitragen wird. Insbesondere im Fall von Gründungen durch im Ausland ansässige juristische Personen, ist die Vorlage von ggfs. legalisierten bzw. mit einer Apostille versehenen Existenz- und Vertretungsnachweisen der im Ausland ansässigen juristischen Person notwendig. Diese müssen dem Notar weiterhin im Original in Papierform vorgelegt werden. Gleiches gilt für die Beibringung von im Ausland unterzeichneten und ggfs. legalisierten und mit einer Apostille versehenen Originalvollmachten im Falle der Online-Gründung durch einen Bevollmächtigten. Im Übrigen beseitigt das Online-Verfahren nicht die mit einer Kontoeröffnung und der Abstimmung mit den Banken in der Regel verbundenen Verzögerungen. Auch in Zukunft wird eine GmbH ohne Nachweis eines Kontos bzw. der Einzahlung des Stammkapitals nicht in das Handelsregister eingetragen. Wie das Online-Verfahren in der Praxis durch die Gründer tatsächlich angenommen wird, bleibt abzuwarten.