EuGH entscheidet über die Vereinbarkeit der Sanierungsklausel mit EU-Beihilfenrecht
Mit Urteil vom 28. Juni 2018 hat der EuGH entschieden, dass die so genannte Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a) KStG mit EU-Beihilfenrecht vereinbar ist. Zuvor hatten die EU-Kommission und das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden, dass die Sanierungsklausel eine rechtswidrige Beihilfe ist, die bestimmte Unternehmen selektiv begünstigt.
Die Sanierungsklausel steht im Zusammenhang mit dem steuerlichen Instrument des Verlustvortrags. Dieser ermöglicht es, Verluste aus vergangenen Jahren von Gewinnen im gegenwärtigen Veranlagungszeitraum abzuziehen und so die gegenwärtige Steuerbemessungsgrundlage zu mindern.
Die Verluste gehen jedoch unter im Fall eines schädlichen Beteiligungserwerbs. Ein solcher liegt vor, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als 25 % der Mitgliedschaftsrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber übertragen werden. Von dieser Regel macht die Sanierungsklausel eine Ausnahme, wenn der Beteiligungserwerb der Sanierung eines Unternehmens dient.
Ob eine steuerliche Regelung zu einer selektiven Begünstigung führt, prüfen die europäischen Gerichte in drei Schritten: Im ersten Schritt wird die allgemeine Steuerregelung als Referenzsystem bestimmt. Im zweiten Schritt wird geprüft, ob die fragliche steuerliche Regelung eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel ist, also ob die Norm zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf das Ziel des Steuersystems in einer vergleichbaren Lage befinden. Im dritten Schritt wird überprüft, ob die Ausnahme durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt ist.
Die EU-Kommission und das EuG hatten die Regelung zum Untergang des Verlustvortrags bei einem schädlichen Beteiligungserwerb als Referenzrahmen angesetzt. Die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a) KStG sei eine ungerechtfertigte Ausnahme, die die hierunter fallenden Beteiligungserwerbe EU-beihilfenrechtswidrig begünstige.
Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt nunmehr der EuGH in letzter Instanz: Nach Auffassung des EuGH haben die EU-Kommission und das EuG den Referenzrahmen falsch angewendet. Die Referenznorm sei nicht die Regelung zum Untergang des Verlustvortrags. Die Referenznorm sei vielmehr die Regelung zum Verlustvortrag, von der die Regelung zur Sanierungsklausel eine Rückausnahme sei und sich damit in die Grundsystematik des Steuersystems einfüge.
Das Urteil des EuGH zeigt erneut die möglichen Implikationen des EU-Beihilfenrechts auf das nationalstaatliche Steuerrecht. Die mögliche Beihilfenrechtswidrigkeit der Sanierungsklausel war jahrelang eine Streitfrage in der juristischen Literatur. Allerdings macht die Entscheidung des EuGH durch ihre Abkehr von den Entscheidungen von KOM und EuG auch deutlich, dass die Frage, wann eine Steuerregelung eine Beihilfe gewährt, nicht immer eindeutig beantwortet werden kann. Der 3-Stufen Test weist in seiner Praxis erhebliche Schwierigkeiten auf. Deshalb ist bei Anwendung steuerlicher Normen, die von allgemeinen Regelungen abweichen, besondere Vorsicht geboten. Stellt sich eine Steuernorm als EU-beihilfenrechtswidrig heraus, kann sich der begünstigte Steuerpflichtige nicht darauf berufen, die Anwendung stehe mit dem Steuerrecht im Einklang. Verstöße gegen das EU-Beihilfenrecht führen – unabhängig vom nationalen Recht – grundsätzlich zu Rückforderungen. Um Steuernachzahlungen zu vermeiden, die u.U. für das begünstigte Unternehmen existenzgefährdend sein können, kann es ratsam sein, kritische steuerliche Regelungen auf ihre EU-Beihilfenrechtskonformität zu überprüfen.