EU-Kommission plant Rahmengesetzgebung zu Sustainable Finance
Am 24. Mai 2018 hat die EU-Kommission ein Legislativpaket zu Sustainable Finance vorgelegt. Auf der Ebene des Europäischen Parlaments und des Rats der Mitgliedstaaten fanden kürzlich politische Einigungen dazu statt. Das Paket soll die Grundlage schaffen für eine europäische Rahmengesetzgebung, die Aspekte der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des Finanzsystems rückt. Dabei werden unter „Nachhaltigkeit“ grundsätzlich die Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung verstanden.
Die EU-Kommission hat die folgenden drei neuen Verordnungen vorgeschlagen:
Durch diese Verordnung soll ein Klassifikationssystem (Taxonomie) für nachhaltige Finanzprodukte geschaffen werden, das als Maßgabe der nationalstaatlichen Regulierung dienen soll.
Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, die Taxonomie anzuwenden, wenn sie Anforderungen zu als „ökologisch nachhaltig“ bezeichnete Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen festlegen. Um als „ökologisch nachhaltig“ zu gelten, muss eine sogenannte „Wirtschaftstätigkeit“ zur Verwirklichung von Umweltzielen beitragen und unter Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ausgeübt werden. Der Begriff der „Wirtschaftstätigkeit“ wird nicht definiert und bedarf weiterer Konkretisierung. Als „Umweltziele“ gelten der Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, Vermeidung und Verhinderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz gesunder Ökosysteme. Die Taxonomie beschränkt sich somit auf ökologische Belange und erfasst weder Themen der Unternehmensführung noch über die IAO-Kernarbeitsnormen hinausgehende Sozialbelange. Im Verordnungsentwurf wird jedoch die Möglichkeit einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf andere Nachhaltigkeitsziele, insbesondere auf soziale Ziele, angelegt.
Nationale Anforderungen an die Kennzeichnung nachhaltiger Finanzprodukte sollen das Anlegervertrauen stärken, die Sichtbarkeit der Produkte erhöhen und Bedenken in Bezug auf „Greenwashing“ ausräumen. Als „Greenwashing“ ist die Praxis gemeint, durch die Vermarktung eines Finanzprodukts als umweltfreundlich – obwohl es nicht grundlegenden Umweltstandards entspricht – einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
Daneben werden Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte als ökologisch nachhaltige Investitionen oder als Investitionen mit ähnlichen Merkmalen anbieten, verpflichtet, Informationen offenzulegen, wie und in welchem Umfang die Kriterien der Taxonomie zur Bestimmung der ökologischen Nachhaltigkeit der Investition herangezogen werden. Anhand der offengelegten Informationen sollen Anleger ihre Anlageentscheidung an der Taxonomie ausrichten und so eine transparente Auswahl unter nachhaltigen Finanzprodukten treffen können.
Die Weiterentwicklung und das Inkrafttreten der Taxonomie sind stufenweise zwischen Juli 2020 und Ende 2022 vorgesehen. Im nächsten Schritt muss der Verordnungsentwurf im Europaparlament und im Rat der Mitgliedstaaten beschlossen werden.
Nach diesem Entwurf soll sichergestellt werden, dass Nachhaltigkeitsaspekte in interne Prozesse der Finanzmarktteilnehmer einbezogen und Anleger diesbezüglich unterrichtet werden. So sollen Finanzmarktteilnehmer wie AIFM, OGAW-Verwaltungsgesellschaften, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, die Anlageberatungen anbieten, verpflichtet werden,
- auf ihren Websites die Strategien, die sie im Hinblick auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungsprozessen bzw. Beratungen verfolgen, zu veröffentlichen,
- in vorvertraglichen Informationen Angaben zu Nachhaltigkeitsrisiken zu machen sowie darüber, wie das Ziel einer nachhaltigen Investition sichergestellt wird, und
- in regelmäßigen Berichten die Nutzwirkungen nachhaltiger Investitionen anhand aussagekräftiger Nachhaltigkeitsindikatoren zu beschreiben.
Dabei beinhaltet der Begriff der „Nachhaltigkeit“ die Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Denn als „nachhaltige Investitionen“ werden die folgende Arten von Investitionen definiert:
- ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der oben genannten Taxonomie-Verordnung,
- Investitionen zur Erreichung eines sozialen Ziels (insbesondere zur Bekämpfung von Ungleichheiten oder Verbesserung der sozialen Integration und von Arbeitsbeziehungen, Investitionen in Humankapital oder zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen) und/oder
- Investitionen in Unternehmen mit guten Governance-Praktiken (insbesondere in Unternehmen, die sich durch solide Managementstrukturen, Arbeitsbeziehungen und Vergütungsregelungen sowie durch Steuerehrlichkeit auszeichnen).
Das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten haben sich am 7. März 2019 politisch geeinigt. Die neuen Regeln sollen größtenteils in drei Jahren in Kraft treten.
3) Verordnungsentwurf zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 in Bezug auf Referenzwerte für CO2-arme Investitionen
Um Investoren darüber hinaus Instrumente für den Vergleich des CO2-Fußabdrucks verschiedener Investitionen an die Hand zu geben, sollen zwei neue Kategorien von Referenzwerten für CO2-arme Investitionen eingeführt werden.
Die EU-Kommission hatte am 24. Mai 2018 einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 in Bezug auf Referenzwerte für CO2-arme Investitionen und Referenzwerte für Investitionen mit günstiger CO2-Bilanz (COM(2018) 355 final) vorgelegt. Am 25. Februar 2019 haben sich das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten auf einen geänderten Verordnungsentwurf zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 in Bezug auf Referenzwerte für CO2-arme Investitionen geeinigt.
Bei der im Titel dieser Verordnungsentwürfe genannten Verordnung handelt es sich um die 2016 als Reaktion auf die Manipulation des Interbankenreferenzwerts LIBOR erlassene Benchmark-Verordnung. Sie unterwirft öffentlich zugängliche Referenzwerte einer umfassenden Regulierung.
Nach aktuellem Stand soll die Benchmark-Verordnung um die als „Climate-transition Benchmark“ und „Paris-aligned Benchmark“ genannten Referenzwerte erweitert werden. Die „Climate-transition Benchmark“ soll eine kohlenstoffarme Alternative zu herkömmlichen (Aktien-)Indizes sein, während der spezialisierten „Paris-aligned Benchmark“ nur Vermögenswerte von Unternehmen zugrunde liegen, die sich nachweislich auf das Ziel des Übereinkommens von Paris einer Erderwärmung von höchstens 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ausrichten. Darüber hinaus muss bei allen Referenzwerten oder Referenzwert-Gruppen erklärt werden, wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren in der jeweiligen Investitionsstrategie berücksichtigt werden und wie ihre Methodik auf das Ziel der Emissionsverringerung ausgerichtet ist.
Als nächste Schritte werden technische Erörterungen folgen, um den endgültigen Wortlaut der Verordnung festzulegen. Sodann muss der Ausschuss der Ständigen Vertreter des Rats und des Europäischen Parlaments die neuen Vorschriften förmlich annehmen, bevor sie in Kraft treten.
Die Grundlage für diese Gesetzgebungsvorhaben ist der Abschlussbericht der von der EU-Kommission berufenen Expertengruppe zur Entwicklung einer Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen vom 31. Januar 2018. In der Folge veröffentlichte die Kommission am 8. März 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums.