Durchsetzung des DMA – Europäische Kommission verhängt gegen Apple und Meta erstmals Geldbußen
Autoren dieses Beitrages: Malgorzata Wojtas und Heiner Mecklenburg
Am 23. April 2025 verhängte die Europäische Kommission gegen Apple und Meta Geldbußen in Höhe von EUR 500 Mio. (Apple) und EUR 200 Mio. (Meta) wegen Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EU) 2022/1925 (Digital Markets Acts, „DMA“). Den Geldbußen liegen die Feststellungen zugrunde, dass Apple durch die Gestaltung seines App Store und Meta durch das „Consent or Pay“-Modell der sozialen Netzwerke Facebook und Instagram gegen DMA-Verpflichtungen verstoßen haben.
Der DMA ist eine europäische Verordnung, die darauf abzielt, faire und wettbewerbsfähige Märkte im digitalen Sektor sicherzustellen. Adressiert werden Aktivitäten sogenannter „Gatekeeper“ (Torwächter). Torwächter sind große digitale Plattformen, die eine zentrale Schlüsselposition in der digitalen Wirtschaft einnehmen, indem sie viele gewerbliche Nutzer (Geschäftskunden) mit vielen Endnutzern (Verbrauchern) verbinden. Die Kommission hat bisher sieben Unternehmen (Alphabet, Amazon, Apple, Booking, ByteDance, Meta und Microsoft) in Bezug auf 23 zentrale Plattformdienste dieser Unternehmen, darunter auch den Apple App Store sowie Metas soziale Netzwerke Facebook und Instagram, als Torwächter benannt. In Bezug auf diese zentralen Plattformdienste unterfallen die benannten Torwächter den besonderen Ver-pflichtungen gemäß Art. 5 bis 7 DMA.
Warum hat Apple nach Auffassung der Kommission gegen Art. 5 Abs. 4 DMA verstoßen (DMA.100109)?
Gemäß Art. 5 Abs. 4 DMA muss Apple als Torwächter seinen Geschäftskunden (App-Entwicklern) ermöglichen, Endnutzer (App-Konsumenten) – auch solche, die über den App Store akquiriert wurden – kostenlos über alternative (günstigere) Angebote außerhalb des App Stores zu informieren, sie zu diesen Angeboten zu lenken und mit den Endnutzern auch außerhalb des App Store (Kauf-)Verträge abzuschließen. Im Compliance-Bericht vom 7. März 2024 hatte Apple folgende Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung von Art. 5 Abs. 4 DMA genannt:
- Apple erlaubt innerhalb der Softwareanwendung („App“) eines Geschäftskunden, die aus dem App Store heruntergeladen wurde, das Setzen von Links durch eine anklickbare URL (sog. Link-Outs), erhebt jedoch auf alle Käufe digitaler Inhalte, die innerhalb von sieben Tagen nach einem Link-Out stattfinden, während der gesamten Nutzungsdauer der App eine Provision von 17 % (10 % für Abonnements nach dem ersten Jahr);
- Apple erlaubt keine Webansicht. Der vom Geschäftskunden in seiner App bereitgestellte Link kann die Endnutzer nur auf die Website des Geschäftskunden weiterleiten, die in einem neuen Fenster im Standardbrowser des Geräts geöffnet wird;
- Apple beschränkt die Möglichkeit von Link-Outs innerhalb der App eines Geschäftsnutzers, falls der Geschäftsnutzer sich gegen Apples In-App-Zahlungssystem entschieden hat.
Die Kommission befand Apples Maßnahmen als möglicherweise nicht den DMA-Anforderungen genügend und leitete daher am 25. März 2024 ein Nichteinhaltungsverfahren ein. In ihrer vorläufigen Beurteilung vom 24. Juni 2024 bemängelte die Kommission insbeson-dere folgende Praktiken:
- Beschränkung der App-Entwickler, ihre Kunden frei zu lenken: Beispielsweise dürfen App-Entwickler innerhalb der App keine Preisinformationen bereitstellen oder auf andere Weise (günstigere) Angebote auf alternativen Vertriebskanälen bewerben.
- Einschränkungen von Link-Outs: Der Link-Out-Prozess unterliegt mehreren von Apple auferlegten Beschränkungen, die App-Entwickler daran hindern, über den Vertriebskanal ihrer Wahl Angebote zu bewerben und Verträge abzuschließen.
- Unangemessen hohe Gebühren: Beispielsweise erhebt Apple von App-Entwicklern eine Gebühr für jeden Kauf digitaler Produkte, den ein Endnutzer innerhalb von sieben Tagen nach einem Link-Out aus der App tätigt.
Nach Ablauf des für die Verteidigung vorgesehen Zeitraums von einem Jahr hat die Kommission gemäß Art. 29 DMA am 23. April 2025 einen Nichteinhaltungsbeschluss mit folgenden Elementen erlassen:
- Feststellung, dass Apple gegen Art. 5 Abs. 4 DMA verstoßen hat;
- Abstellungsverfügung, innerhalb von 60 Tagen die technischen bzw. kommerziellen Beschränkungen des Lenkens von Endnutzern auf alternative Angebote der Geschäftskunden zu beseitigen und Verstöße in Zukunft zu unterlassen; sowie
- Verhängung einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 4 DMA in Höhe von EUR 500 Mio.
Warum hat Meta nach Auffassung der Kommission gegen Art. 5 Abs. 2 DMA verstoßen (DMA.100055)?
Gemäß Art. 5 Abs. 2 DMA sind Torwächter verpflichtet, die Einwilligung von Endnutzern für solche Datenverarbeitungen einzuholen, bei denen personenbezogene Daten über verschiedene zentrale Plattformdienste hinweg kombiniert oder miteinander genutzt werden.
Bis März 2024 räumte Meta zur Einhaltung dieser Anforderung Endnutzern von Facebook und Instagram die Wahlmöglichkeit ein, ob sie:
- die Dienste von Meta kostenlos nutzen, jedoch der Verarbeitung und Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten zur Finanzierung der Dienste durch personalisierte Werbung zustimmen; oder
- die Einwilligung zur Verarbeitung und Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten verweigern. In diesem Fall erfolgte die Finanzierung der (werbefreien) Dienste durch eine monatlichen Abonnementgebühr. Die Gebühren beliefen sich für Desktop-Abonnenten auf monatlich EUR 9,99 für das erste und EUR 6,00 für jedes weitere Konto. App-Abonnenten hatten EUR 12,99 für das erste und EUR 8,00 Euro für jedes weitere Konto zu zahlen.
In ihrer Entscheidung zur Einleitung des Nichteinhaltungsverfahren vom 25. März 2024 erläuterte die Kommission die Zielrichtung von Art. 5 Abs. 2 DMA, die Entstehung von Markteintrittsbarrieren durch die Anhäufung personenbezogener Daten (zur Erbringung von Online-Werbediensten durch den Torwächter) zu verhindern; und daher Endnutzern eine freie Entscheidung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten einzuräumen, was nur der Fall ist, wenn die Nutzung des Dienstes (oder bestimmter Funktionen) nicht von der Einwilligung in die Datenverarbeitungen abhängt und bei Verweigerung der Einwilligung eine gleichwertige Alter-native angeboten wird.
Im Nichteinhaltungsbeschluss vom 23. April 2025 bewertete die Kommission das bis März 2024 praktizierte Modell als Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 DMA, da es Endnutzern:
- nicht die erforderliche Wahlmöglichkeit eingeräumt habe, sich für einen Dienst zu ent-scheiden, bei dem weniger personenbezogene Daten verwendet werden, der aber ansons-ten dem auf „personalisierter Werbung“ basierenden Dienst gleichwertig ist; und
- nicht die Ausübung ihres Rechts auf freie Einwilligung in die Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten erlaubt habe.
Für den Zeitraum des festgestellten Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 DMA bis März 2024 hat die Kommission gegen Meta eine Geldbuße in Höhe von EUR 200 Mio. verhängt. Da Meta das Mo-dell mittlerweile nicht mehr anbietet und das neue Einwilligungsmodell derzeit noch Gegen-stand der Überprüfung ist, hat die Kommission keine Abstellungsverfügung erlassen.
Ausblick: Private (Verbraucher-)Klagen gegen Apple and Meta?
Möglicherweise könnten Verbraucherzentralen rechtliche Schritte gegen Meta gemäß DMA einleiten. Bereits im Mai 2024 hat die Verbraucherzentrale NRW gegen Meta vor dem OLG Köln eine Unterlassungsklage wegen Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung durch Metas „Consent or Pay“-Modell erhoben (Az. 15 UKl 1/24). In einem ähnlich gelagerten Fall hat die Verbraucherzentrale Sachsen gegen Amazon eine Abhilfeklage gemäß dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz erhoben (Az. 102 VKl 1/24 e). Der Nichteinhaltungsbeschluss der Kommission gegen Meta stärkt potenziellen Kläger den Rücken. Kläger könnten Schadensersatzansprüche auch auf den DMA stützen, da seine Bestimmungen zivilrechtlich durchsetzbar sind (vgl. Art. 39 zur Zusammenarbeit zwischen nationalen Gerichten und der Kommission). Als Schaden könnten die bis März 2024 vereinnahmten Abo-Gebühr geltend gemacht werden. Ob auch Abonnenten ohne zahlungspflichtige Konten einen Schaden geltend machen könnten, erscheint unklar – jedenfalls im Klageverfahren gegen Amazon werden insoweit 50% der Abo-Gebühren (für das günstigere Amazon-Angebot mit zusätzlicher Werbung) geltend gemacht.
Auch Apple könnte sich Privatklagen ausgesetzt sehen. Insbesondere App-Entwickler könnten wegen der laut Europäischer Kommission unangemessen hohen Gebühren (gemäß Apples Sieben-Tage-Regel) Schäden geltend machen. Denkbar wäre zudem die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns, soweit Apples Praktiken den Zugang von Endnutzern zu alternativen Vertriebskanälen (außerhalb des App Store) beschränkt haben sollten. Prozessual wären angesichts der potenziell hohen Klagebeträge prozessfinanzierte Inkasso-Sammelklagen denkbar (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 25. Februar 2025).
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