Digitale Geschäftsführerbestellung bei der deutschen GmbH
Mobiles Arbeiten und Home Office bringen mit sich, dass Systeme wie DocuSign oder AdobeSign immer attraktiver und verbreiteter werden. Sollen damit auch gesellschaftsrechtliche Dokumente unterzeichnet werden, die beim Handelsregister eingereicht werden müssen, stellt sich die an Notare vielfach herangetragene Frage, ob dies zulässig ist und – praktisch wichtiger noch – ob es vom Handelsregister akzeptiert wird.
Kurz zur Erinnerung: Die Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt („elDAS“, VO (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli. 2014) unterscheidet zwischen der einfachen (simple „SES“), der fortgeschrittenen (advanced „AES“) und der qualifizierten elektronischen Signatur (qualified „QES“). Eine SES setzt kein besonderes Signatursystem voraus, darunter fallen profane Dinge wie eingescannte Unterschriften oder die Namensunterschrift unter einer E-Mail. Für eine AES wird hingegen ein Signaturprogramm benötigt, das deren gesetzliche Voraussetzungen (eindeutige Zuordnung des Unterzeichners und seine Identifizierung sowie Erkennbarkeit einer nachträglichen Veränderung der Daten) sicherstellt. Für eine QES ist notwendig, dass die Signatur auf einem gültigen qualifizierten Zertifikat beruht. Sie muss mit einer geeigneten Signatursoftware erzeugt werden, es ist eine Identifizierung bei einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter nötig und beim Signaturvorgang müssen Sicherheitsstandards (Signaturkarte und Lesegerät oder Passwort/PIN oder biometrische Merkmale) erfüllt werden. Zivilrechtlich erfüllen SES und AES lediglich das Formerfordernis der Textform (§ 126b BGB), prozessual unterliegen sie der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Die QES erfüllt i.d.R. zivilrechtlich die Schriftform (§ 126a i.V.m. § 126 Abs. 3 BGB), in Ausnahmefällen ist die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen (z.B. § 623 BGB, § 766 S. 2 BGB und § 780 S. 2 BGB), prozessual haben sie volle Beweiskraft (§§ 371a, 416 ZPO). Mit den populären Systemen DocuSign und AdobeSign können AES und QES erzeugt werden.
Gesellschafterbeschluss nach § 48 GmbHG
In nahezu allen deutschen GmbHs werden Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss bestellt (und abberufen), § 46 Nr. 5 GmbHG. Bei Gesellschafterbeschlüssen kann recht feinsinnig zwischen Stimmabgabe und Protokollierung und der jeweils dafür erforderlichen Form differenziert werden. Diverse Details sind umstritten und für Gesellschaften mit „schwierigem Gesellschafterkreis“ sind genaue Satzungsregelungen zu empfehlen. In der Praxis herrschen jedoch einstimmige Beschlüsse eines oder mehrerer Gesellschafter unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften aus Gesetz oder Satzung vor, in denen Stimmabgabe und Protokollierung quasi zusammenfallen. Für dieses Dokument fragt sich nun, welche Form es voraussetzt und ob es papierhaft sein muss oder elektronisch sein kann. Der einstimmige Umlaufbeschluss setzt lediglich Textform voraus gem. § 48 Abs. 2 1. Alt. GmbHG. Diese ließe sich durch jede der drei Formen der elektronischen Signatur erfüllen. Gibt es nur einen Gesellschafter, wie es im GmbH-Konzern die Regel ist, hat der Alleingesellschafter gem. § 48 Abs. 3 GmbHG nach der Beschlussfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben. Allerdings ist die Beachtung von § 48 Abs. 3 GmbHG kein Wirksamkeitserfordernis für den Beschluss, der letztlich – wie der Beschluss in einer Gesellschafterversammlung – formlos wirksam ist. Insofern spricht nach § 48 GmbHG nichts gegen eine Geschäftsführerbestellung, die papierlos vorgenommen wird.
Anmeldung zum Handelsregister nach § 39 GmbHG, § 12 HGB
Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, § 39 Abs. 1 GmbHG. Auch wenn die Eintragung im Handelsregister nur sog. deklaratorische Wirkung hat, die Bestellung also auch ohne die Eintragung wirksam ist, kommt der Eintragung dennoch in der Praxis eine überaus große Bedeutung zu. Die Handelsregisteranmeldung hat in notariell beglaubigter Form zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bis zum 1. August 2022, an dem das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG; v. 05.07.2021, BGBl. I 2021, 3338) in Kraft treten wird, muss sich daher mindestens der neue Geschäftsführer persönlich zum Notar begeben und dort in Gegenwart des Notars seine Unterschrift unter die Handelsregisteranmeldung setzen oder seine bereits vollzogene Unterschrift anerkennen (§ 40 Abs. 1 BeurkG). Auf Ebene des Gesellschafters ist kein Gang zum Notar erforderlich.
Allerdings macht das Verfahrensrecht (derzeit) auf andere Weise den Traum von der digitalen Geschäftsführerbestellung zunichte: Nach § 39 Abs. 2 GmbHG (in der mittlerweile 85 Jahre alten Fassung von 1937) sind der Anmeldung des neuen Geschäftsführers „die Urkunden über die Bestellung […] in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Form beizufügen“. Soweit ersichtlich wird nirgends ernsthaft vertreten, dass die „Urkunde“ i.S.d. § 39 Abs. 2 GmbHG ein lediglich elektronisch erzeugtes Dokument sein kann. Daraus folgt, dass der Gesellschafterbeschluss für die Zwecke der Handelsregisteranmeldung eben doch ein persönlich unterschriebenes Papierdokument sein muss. Die juristisch kluge Idee, die Stimmabgabe vom eigentlichen Beschluss zu lösen, die Gesellschafter also elektronisch abstimmen und den Geschäftsführer als Versammlungsleiter ein papierhaftes Protokoll anfertigen zu lassen (Beckmann/Düsterbeck, GmbHR 2022, S. 245ff.), ist einerseits etwas filigran und birgt andererseits das Risiko, vom Registergericht schlicht nicht anerkannt zu werden.
Einzureichen wiederum ist die „Urkunde“ als Anlage zur Handelsregisteranmeldung gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB elektronisch (durch den Notar). Da sie unter § 12 Abs. 2 Satz 2 HS 1 fällt, kann der Notar sie „unsigniert“ einreichen, so dass ihm selbst nur ein Scan vorliegen muss. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dies auf Seiten der Gesellschafter einigen Möglichkeiten Tür und Tor öffnet, diesen Scan anders herzustellen als mit einer mit Tinte unterschriebenen papierhaften Urkunde.
Nach derzeitiger Rechtslage ist die Bestellung eines Geschäftsführers in einer deutschen GmbH nicht nur für den bzw. die Geschäftsführer mit einem Gang zum Notar verbunden (anders ab dem 1. August 2022), sondern auch der Gesellschafterbeschluss zur Bestellung hat aufgrund einer etwas überkommenen Vorschrift papierhaft zu erfolgen. Materiell-rechtlich ist die Bestellung zwar digital wirksam, das Verfahrensrecht setzt aber für die Eintragung ins Handelsregister ein Papierdokument voraus. Da dem Notar von diesem Papierdokument aber nur ein Scan vorgelegt werden muss, wäre ein digitales Dokument mit einer AES oder QES, das dem Notar „im Original“ zugeht, bereits deutlich fälschungssicherer.