Entwurf eines neuen Gesetzes zur Umsetzung der neuen Arbeitsbedingungen-Richtlinie – das neue Nachweisgesetz mit mehr Nachweispflichten und Geldbußen
Der Anlass
Am 06.04.2022 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Regierungsentwurf vorgelegt, der sich insbesondere auf das Nachweisgesetz (NachwG) auswirkt. Das NachwG verpflichtet den Arbeitgeber, bestimmte Bestandteile von Arbeitsverträgen schriftlich zu dokumentieren, sodann zu unterschreiben und dem/ der Arbeitnehmer:in auch auszuhändigen. Nach dem Regierungsentwurf soll das Gesetz spätestens zum 01.08.2022 – dem letzten Tag der Umsetzungsfrist der Richtlinie – in Kraft treten.
Anlass der Änderung ist die am 31. Juli 2019 in Kraft getretene „Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union“ (kurz: „Arbeitsbedingungen-Richtlinie“). Zweck der Richtlinie ist gemäß ihres Artikels 1, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Zu ihrer Umsetzung gibt es nun nach dem Referenten- den Regierungsentwurf zur Beschlussfassung (BT-Drucksache 20/1636). Die Arbeitsbedingungen-Richtlinie führt nach dem Regierungsentwurf auch zur Änderung anderer Gesetze, etwa dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, aber auch der Gewerbeordnung und dem Teilzeitbefristungsgesetz.
Nachfolgend sollen jedoch lediglich die relevantesten Neuerungen, nämlich die Kernänderungen des NachwG, erörtert werden.
Die wesentlichen Inhalte
Für das NachwG birgt der Regierungsentwurf im Wesentlichen zwei Neuerungen: Einerseits eine Erweiterung der Mindestanforderungen an den Arbeitsvertrag unter Beachtung unterschiedlicher und verschärfter Fristen sowie andererseits die Etablierung eines neuen Sanktionsmechanismus für den Fall ihrer Nichtbeachtung.
Bereits die derzeit gültige Fassung des NachwG verpflichtet Arbeitgeber, bestimmte, in § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG aufgelistete, Bestandteile zwingend in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Hierzu zählen etwa Namen und Anschrift der Vertragsparteien, der Zeitpunkt des Beginns der Beschäftigung, Informationen zu Arbeitszeit, Arbeitsort, Urlaubsanspruch und Vergütung.
Der Katalog dieser zwingend aufzunehmenden Vertragsbestandteile in § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG-E wird durch den neuen Regierungsentwurf nun jedoch stark erweitert. In persönlicher Hinsicht gilt er durch die Streichung der bisherigen Ausnahme in § 1 S. 1 NachwG künftig auch für vorübergehende Aushilfen von höchstens einem Monat und somit für ausnahmslos alle Arbeitnehmer:innen.
Arbeitgeber müssen nun deutlich mehr und auch differenziertere Angaben in den Arbeitsvertrag aufnehmen, was einen erhöhten bürokratischen Aufwand mit sich bringt. Besonders praxisrelevant erscheinen die nachfolgenden Änderungen: So muss der Arbeitsvertrag künftig in Bezug auf die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts auch die Vergütung von Überstunden sowie die Art der Auszahlung regeln, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG-E. Neben der vereinbarten Arbeitszeit sind fortan auch Ruhezeiten und Angaben zum Schichtsystem mit aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 NachwG-E). Besonders relevant für die Praxis wird auch § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 14 NachwG-E sein. Denn die Neuregelung sieht vor, dass „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“ enthalten muss. Unklar bleibt aber, welche Bestandteile nun genau zum einzuhaltenden Verfahren gehören sollen.
Neu geregelt werden zudem die Aushändigungsfristen: Anstelle der einheitlichen Monatsfrist enthält § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG-E nun gleich drei verschiedene Fristen: Die Niederschrift der Angaben in Bezug auf Namen und Anschrift der Parteien, Arbeitsentgelt und Arbeitszeit hat spätestens am ersten Arbeitstag zu erfolgen, die meisten übrigen Angaben innerhalb von sieben Kalendertagen. Die Monatsfrist bleibt nur hinsichtlich weniger Angaben, etwa zum Erholungsurlaub und den Kündigungsvorschriften, bestehen.
Besondere Brisanz dürfte aber vor allem § 4 NachwG-E entfalten. Dieser sieht nun zur Durchsetzung der Nachweispflichten einen Sanktionsmechanismus vor: Demnach stellen nun die nicht oder fehlerhaft erfolgte Aushändigung oder Mitteilung eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 2000 Euro bestraft werden kann.
Praxishinweis
Im Hinblick auf die Praxis lässt sich bereits erahnen, dass das Thema Vertragsmanagement in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen dürfte. Deutlich strengeren Anforderungen an die Transparenzpflichten und effektive Regelungen zum Schutz ihrer Durchsetzbarkeit könnten zu ausführlicheren Regelungen in Arbeitsverträgen sowie erhöhten Dokumentationsanforderungen und damit im Ergebnis zu einem administrativen Mehraufwand für die Unternehmen führen. Arbeitgeber sollten vor dem Hintergrund des neuen Ordnungswidrigkeitentatbestands nicht nur die Aushändigung des Arbeitsvertrags dokumentieren, sondern auch Altverträge daraufhin überprüfen, welche Informationen im Falle ihrer Anforderung noch (teilweise schon innerhalb von sieben Tagen) nachgereicht werden müssen. Wie die Mitteilungspflichten in Bezug auf das bei der Kündigung zu beachtenden Verfahren konkret auszugestalten sind, birgt Unsicherheiten, sodass diesbezügliche Rechtsprechung mit Spannung zu erwarten ist.