Das neue FreizügG/EU sowie Änderungen der Aufenthalts- und der Beschäftigungsverordnung – aufenthaltsrechtliche Änderungen in Deutschland durch den Brexit
Der Brexit geht mit Änderungen im deutschen Aufenthaltsrecht für Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (im weiteren Kontext: „britische Staatsangehörige“) und ihre Familienangehörigen einher. Bis zum 31. Dezember 2020 sichert ihnen das Austrittsabkommen unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ein Freizügigkeitsrecht und die damit verbundenen Freiheitsrechte. Der Bundesgesetzgeber hat nun im Zuge des Ablauf des Übergangszeitraums auch das Freizügigkeitsgesetz /EU (FreizügG/EU) angepasst und Neuregelungen geschaffen, die einen weiteren Übergangszeitraum festlegen, bis zu dem britische Staatsangehörige einen speziellen Aufenthaltstitel beantragen müssen; auch für Einreise, Aufenthalt und Berufstätigkeit in Deutschland sind dann ab dem 01.01.2021 neue Regeln zu beachten, da der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Winterpause am 18.12.2020 gleichzeitig die Änderung der Aufenthalts- (AufenthV) und der Beschäftigungsverordnung (BeschV) beschlossen hat.
Der Anlass
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 1. Februar 2020 bedingt, dass sich die aufenthaltsrechtlichen Regelungen für in Deutschland lebende britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen ändern. Dazu hat die Europäische Union mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien ein Austrittsabkommen geschlossen, das die bisherigen Freizügigkeitsrechte für britische Staatsangehörige weiter gelten lässt und eine Übergangszeitraum festlegt. Im Austrittsabkommen, das für alle EU-Länder gleichermaßen gilt, wurde vereinbart, dass bis zum Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 zunächst keine Änderungen im Aufenthaltsrecht zu beachten sind.
Die wesentlichen Aspekte der Änderungen des FreizügG/EU, der AufenthV und der BeschV
Damit die Regelungen auch in Deutschland Anwendung finden können, mussten die Regelungen des FreizügG/EU angepasst werden. Am 24. November trat dazu das neue FreizügG/EU in Kraft. Darin ist geregelt, dass britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen, die über den 31. Dezember 2020 hinaus in Deutschland leben, sich bis zum 30. Juni 2021 bei der zuständigen Ausländerbehörde anzeigen müssen und dafür ein neu gestaltetes Aufenthaltsdokument (Aufenthaltsdokument-GB) erhalten. Soweit die britischen Staatsangehörigen nicht in Deutschland wohnen, aber hier arbeiten und ebenfalls bereits von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben, können sie anstelle des Aufenthaltsdokument-GB das Aufenthaltsdokument für Grenzgänger-GB erhalten.
Für die Beantragung eines solchen Aufenthaltsdokument müssen britische Staatsangehörige am 31. Dezember 2020 in Deutschland wohnen beziehungsweise ihren Lebensschwerpunkt in Deutschland haben und freizügigkeitsberechtigt sein. Letzteres bedeutet, dass sie zumindest selbstständig oder unselbständig erwerbstätig, arbeitssuchend oder beispielsweise als Rentner oder Studierender in Deutschland sind.
Jedoch fallen nicht alle in Deutschland tätigen britischen Staatsangehörige unter das Austrittsabkommen. Betroffen sind hier vor allem nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer ohne Wohnsitz oder sonstige Anknüpfung an Deutschland. Soweit für solche Personen dann kein Recht aus dem Austrittsabkommen besteht, drohte, dass diese Personen aufenthaltsrechtlich wie alle Drittstaatsangehörigen behandelt werden würde. Mit anderen Worten, britische Staatsangehörige hätten vor Einreise nach Deutschland ein entsprechendes (Einreise-)Visum benötigt sowie einen Aufenthaltstitel für den Verbleib in Deutschland. Um diesen Umstand entgegen zu wirken, wurde vom Bundesrat am 18.12.2020 beschlossen, im Zuge des Endes des Übergangszeitraums auch die AufenthV und die BeschV mit Wirkung ab dem 01.01.2021 entsprechend zu ändern.
Britische Staatsangehörige, die ab dem 1. Januar 2021 nach Deutschland einreisen und nicht vom Austrittsabkommen profitieren, können dann unter erleichterten Bedingungen einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung erhalten. Hierfür wird das Vereinigte Königreich in die Liste der sog. privilegierten Staaten aufgenommen, deren Staatsangehörige jede Beschäftigung unabhängig von einer Qualifikation ausüben dürfen. Die Bundesagentur für Arbeit prüft die Beschäftigungsbedingungen und zudem, ob vergleichbare inländische Arbeitsuchende zur Verfügung stehen. Denselben Arbeitsmarktzugang gibt es heute bereits für Staatsangehörige anderer Industrienationen, wie z. B. Japan, Kanada oder den USA. Auch können aufgrund dieser Änderungen britische Staatsangehörige visumfrei nach Deutschland einreisen, wenn sie sich längerfristig in Deutschland aufhalten wollen. Der erforderliche Aufenthaltstitel kann dann im Inland eingeholt werden, auch wenn eine Ausübung der Beschäftigung bis zum Erhalt des erforderlichen Aufenthaltstitels nicht möglich ist.
Die Praxishinweise
Ziel der Änderung der BeschV, der AufenthV ist es, britische Staatsangehörige, die nicht unter das Austrittsabkommen fallen, einen erleichterten Arbeitsmarktzugang im Vergleich zum regulären aufenthaltsrechtlichen Drittstaatsregime zu gewähren. Andernfalls wäre eine Beschäftigung in Deutschland für britische Staatsangehörige nur mit erhöhtem Aufwand oder schlimmstenfalls sogar überhaupt nicht mehr möglich gewesen. Der Bundesgesetzgeber hat erkannt, dass dies nicht ziel- und sachgerecht ist und entsprechend mit der Privilegierung den langjährigen und vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland Rechnung getragen. Ausweißlich der Begründung geht der Verordnungsgeber davon aus, dass Unternehmen britische Staatsangehörige aufgrund ihres Bildungs- und Wissensstandes, ihrer beruflichen Spezialisierung oder der wirtschaftlichen Beziehungen, beispielsweise innerhalb von Unternehmensverbünden- oder Kooperationen, auch weiterhin in Deutschland beschäftigen wollen. Hierfür ist ein weitgehend voraussetzungsfreier Arbeitsmarktzugang angezeigt, wie er auch für andere Industrienationen außerhalb der Europäischen Union gilt.
Die Neuregelungen des FreizügG/EU stellen sich in der Praxis als weiteren Schritt hin zu klaren Regelungen für britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörige dar, auch wenn die Regelungen insgesamt eher komplex anmuten. Jedoch waren hier aufgrund der notwendigen Ratifizierung des Austrittsabkommen, dem Bundesgesetzgeber wenig Handlungsoptionen eröffnet. Für die Praxis der Unternehmen bedeutet es, dass sie für bisher regulär in Deutschland beschäftigte Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zunächst keine weiteren Schritte unternehmen müssen, da sie regelmäßig unter das Austrittsabkommen fallen. Das gilt auch für drittstaatsangehörige Familienangehörige mit Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte. Handlungsbedarf ist aber bei entsandten Kräften nach Deutschland zu sehen, da diese nicht vom Austrittsabkommen umfasst sind. Auch hier bestehen zwar eine weitere Übergangsfrist bis zum 31.03.2021, wonach die bis dahin ausgeübte Tätigkeit in Deutschland ohne Vorliegen eines entsprechenden Aufenthaltstitels erfolgen kann. Die Ausländerbehörden dürften die Neuregelung vor erhöhten Prüfungs- und Verwaltungsaufwand stellen, da das Austrittsabkommen vielfältige Fallgestaltung abdeckt, die nun im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens geprüft werden müssen. Entsprechend ist hier mit Verzögerungen bei den Ausländerbehörden zu rechnen, sollten es keine evidenten Fallgestaltungen sein.