Gesellschaftsrecht

COVID-19: Verlängerung der Achtmonatsfrist im Umwandlungsrecht

Verfasst von

Robert Dorr

Dirk Krome

Die Bundesregierung hat im Eiltempo das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht erlassen. Es ist am 27. März 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I 2020, 569). Das Gesetz enthält in Artikel 2 besondere Maßnahmen u.a. für das Gesellschafts- und Umwandlungsrecht.

Ausgangslage und Motivation
Die angeordneten Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des massiven Anstiegs der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus, insbesondere die Einschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten von Personen, bringen auch erhebliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit von Unternehmen mit sich. Dies betrifft u.a. Gesellschafterversammlungen, die zum Beispiel erforderlich sind für Umstrukturierungen.

Das deutsche Recht enthält an vielen Stellen Fristen, die nicht verlängert werden können. Eine davon ist die sog. Achtmonatsfrist im Umwandlungsrecht. § 17 Abs. 1 S. 4 UmwG besagt, dass eine Verschmelzung nur umgesetzt werden kann, wenn bei der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister eine Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers mit vorgelegt wird, dessen Stichtag zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht länger als 8 Monate zurückliegt. Für Unternehmen, bei denen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, bedeutet dies, dass solche Umwandlungen bis spätestens zum 31. August eines Jahres angemeldet werden müssen, wenn als Schlussbilanz die Jahresendbilanz des Vorjahres verwendet werden soll. Die Vorschrift gilt gemäß § 125 UmwG auch für Spaltungen.

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die erforderliche Planung, technische und organisatorische Vorbereitung und Durchführung der für die Umwandlungsbeschlüsse erforderlichen Versammlungen in vielen Fällen zu Verzögerungen führen wird, welche die Einhaltung der Achtmonatsfrist erschweren.

Unternehmen, die die Achtmonatsfrist nicht einhalten können, haben nach der bisherigen Regelung nur die Möglichkeit, die Maßnahme entweder auf das Folgejahr zu verschieben oder eine Zwischenbilanz zu erstellen. Letzteres ist vor allem bei prüfungspflichtigen Unternehmen wegen des damit verbundenen Aufwandes regelmäßig keine Option.

Neuregelung im Umwandlungsrecht
Das neue Gesetz verlängert deshalb diese Frist um vier auf zwölf Monate. Artikel 2 § 4 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht lautet:

„Abweichend von § 17 Absatz 2 Satz 4 des Umwandlungsgesetzes genügt es für die Zulässigkeit der Eintragung, wenn die Bilanz auf einen höchstens zwölf Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist.“

Gemäß § 7 Absatz 4 ist diese Regelung nur auf Anmeldungen anzuwenden, die im Jahr 2020 vorgenommen werden. § 8 enthält aber darüber hinaus eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Geltung dieser und anderer Vorschriften bis höchstens zum 31. Dezember 2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland geboten erscheint.

Die Neuregelung im Umwandlungsrecht wird flankiert von Erleichterungen bei der Durchführung von Gesellschafter- und Hauptversammlungen, die u.a. für die Fassung der Umwandlungsbeschlüsse erforderlich sind (Artikel 2 §§ 1 bis 3).

Gemäß Artikel 6 Absatz 2 sind diese Regelungen am Tag nach der Verkündung, mithin am 28. März 2020 in Kraft getreten und sie treten mit Ablauf des 31. Dezember 2021 wieder außer Kraft. Es handelt sich damit um eine befristete Sonderregelung, einzig um die aus der COVID-19-Pandemie drohenden Nachteile abzumildern.

Bedeutung der Sonderregelung
Für alle Verschmelzungen und Spaltungen, die bis zum 31. Dezember 2020 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, gilt nun die um vier Monate verlängerte Frist. Die Jahresendbilanz zum 31. Dezember 2019 kann deshalb über den 31. August 2020 hinaus, nach der aktuell gültigen Regelung bis zum Ende des Jahres 2020, als Grundlage für eine solche Maßnahme herangezogen werden. Über die Verknüpfungen nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 122c Abs. 2 Nr. 6 und 126 Abs. 1 Nr. 6 UmwG sowie § 2 Abs. 1 UmwStG hat dies dann auch zur Folge, dass solchen auch noch nach dem 31. August 2020 umgesetzten Maßnahmen eine steuerliche und handelsrechtliche Rückwirkung auf den 31. Dezember 2019 bzw. 1. Januar 2020 beigemessen werden kann.

Der Gesetzgeber hat bei dieser Sonderregelung darauf verzichtet, den Unternehmen bei Inanspruchnahme etwa eine Pflicht aufzuerlegen, nachzuweisen, dass bei ihnen tatsächlich infolge der COVID-19-Pandemie Verzögerungen bei der Umsetzung der Umwandlungsmaßnahme entstanden sind. Die Regelung gilt vielmehr generell und kann damit von allen deutschen Unternehmen, die Partei einer Verschmelzung oder Spaltung sind, in Anspruch genommen werden. Sie gilt gemäß § 122k Abs. 1 UmwG auch für grenzüberschreitende Verschmelzungen, d.h. für die Verschmelzung einer übertragenden deutschen Kapitalgesellschaft auf eine in einem anderen EU/EWR-Staat gegründete, übernehmende Kapitalgesellschaft.

Praxishinweis
Die Sonderregelung im Umwandlungsrecht eröffnet neue Handlungsspielräume für die Umsetzung von Spaltungen und Verschmelzungen. Insbesondere in Fällen, in denen die Achtmonatsfrist des § 17 Abs. 1 S. 4 UmwG nicht eingehalten werden kann, kann eine solche Maßnahme bis zum Ende des Jahres 2020 noch umgesetzt werden, ohne die oft mit erheblichem Zusatzaufwand verbundene Lösung wählen zu müssen, eine Zwischenbilanz aufzustellen. Für Umwandlungsvorgänge sind zwar notarielle Beurkundungen erforderlich. Diese können jedoch regelmäßig auf Basis privatschriftlicher Vollmachten vollzogen werden. Damit kann man eine gesundheitlich riskante Versammlung neben der zeitlichen Streckung in aller Regel vermeiden.