Corona-Pandemie: Auswirkungen auf Vergabeverfahren
Das neue Coronavirus hat Deutschland fest im Griff. Eine genaue Prognose, wie lange der staatlich verordnete Shutdown andauern wird, lässt sich nach Einschätzung der Experten derzeit nicht sicher voraussagen. Die Wirtschaft und das öffentliche Leben stehen nahezu still. Gleichwohl ist die öffentliche Hand auf Güter und Dienstleistungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Grundversorgung der Bevölkerung dringend angewiesen. Für öffentliche Auftraggeber stellt sich daher Frage, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf laufende, dringliche und geplante Beschaffungen hat.
Dringliche Beschaffungen
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat am 19.03.20 ein „Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2“ herausgegeben. In dem Rundschreiben weist das BMWi darauf hin, dass in der derzeitigen Corona-Krise die Voraussetzungen einer Dringlichkeitsbeschaffung gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV / 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO für den Einkauf von Leistungen erfüllt sind, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Neben Heil- und Hilfsmitteln wie etwa Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe, Masken usw. dürfen auch andere notwendige Leistungen, wie z.B. mobile IT-Geräte zur Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen, Videokonferenztechnik und IT-Leitungskapazitäten etc. im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bzw. im Wege der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb beschafft werden.
Das Rundschreiben richtet sich ausdrücklich auch an Sektorenauftraggeber und somit u.a. auch an Energieversorgungs- und Verkehrsunternehmen, die auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO ebenfalls eine Dringlichkeitsvergabe zur Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus durchführen dürfen.
Darüber hinaus weist das Rundschreiben auch auf die Möglichkeit von Vertragsänderungen, -verlängerungen und/oder -ausweitungen gemäß § 132 GWB (§ 47 Abs. 1 UVgO) zur Bewältigung kurzfristiger Beschaffungsbedarfe hin.
Laufende Vergabeverfahren
In bereits laufenden Vergabeverfahren ist öffentlichen Auftraggebern zu empfehlen, zu prüfen, ob sie die Verfahren – wie geplant – weiterführen können oder ob ggf. Anpassungen erforderlich sind. Insbesondere, wenn die vorhandenen e-Vergabe- bzw. IT-Infrastruktur z.B. im Homeoffice keine zuverlässige und rechtssichere Abwicklung der Vergabeverfahren gewährleisten, sollte über ein Aussetzen des Verfahrens nachgedacht werden. Auch die notwendigen Schritte außerhalb der E-Vergabe-Plattform – wie z.B. Verhandlungsgespräche mit den Bietern, interne Abstimmungen, Beschlüsse von Gremien etc. – müssen hierbei berücksichtigt werden und eine ggf. vollständige Abwicklung im Remote-Modus sichergestellt werden. In anderen Fällen kann aber auch eine Verlängerung der Angebots- und Bindefristen ein ausreichendes und geeignetes Mittel sein, um die Vergabeverfahren rechtssicher abzuwickeln. Darüber hinaus sind auch weitere Änderungen zu Inhalten und Abläufen der Vergabeverfahren denkbar (z.B. Verlegen von Verhandlungsgesprächen), um den öffentlichen Auftraggeber und die Bieter handlungs- und leistungsfähig zu halten. Unabhängig davon, welcher Weg im Einzelfall gewählt wird, der öffentliche Auftraggeber ist jedenfalls auch in Krisenzeiten verpflichtet, die Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) einzuhalten.
Geplante Beschaffungen
Für geplante Beschaffungen sollten öffentliche Auftraggeber erneut kritisch prüfen, ob der ursprüngliche Beschaffungsbedarf weiterhin besteht oder ob anstehende Beschaffungen verschoben bzw. der Beschaffungsbedarf an die aktuellen Umstände angepasst werden müssen. Alternativ sollte überlegt werden, ob man bestehende (Rahmen-)Verträge unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 132 GWB (§ 47 Abs. 1 UVgO) ggf. anpasst, erweitert oder verlängert. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, die Auswirkungen der Krise auf den Anbietermarkt genau im Blick zu behalten, um auch unter teilweise schwierigen Marktbedingungen flexibel reagieren und beschaffen zu können.