Gesellschaftsrecht

BGH-Urteil zur Fortführungsklausel in GbR-Verträgen: Mindestanzahl von Gesellschaftern erforderlich

Verfasst von

David Santa

Dr. Robert Schiller

BGH, Urteil vom 29.10.2024 – BeckRS 2024, 36662

In Kürze

Am 29. Oktober 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Rechtsstreit über die Fortführung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters. In diesem Zusammenhang stellte der BGH fest, dass eine Fortführungsklausel, die besagt, dass die Gesellschaft durch mindestens zwei verbleibende Gesellschafter fortgeführt werden kann, nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass die Gesellschaft vom letzten verbleibenden Gesellschafter allein weitergeführt werden darf, wenn der vorletzte Gesellschafter ausscheidet.

Sachverhalt

Der Kläger und der Streithelfer waren in einer Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GbR verbunden. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Fortführungsklausel, die besagte, dass die Gesellschaft im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters durch die verbleibenden Gesellschafter fortgeführt werden könne, sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben und diese die Fortführung beschließen. Der Streithelfer kündigte die Sozietät und widerrief kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist die Alleinverfügungsberechtigung des Klägers über die Sozietätskonten. Die kontoführende Bank stellte daraufhin die Konten von Einzel- auf Gemeinschaftsverfügungsberechtigung um.

Der Kläger beantragte sodann die Umschreibung der Konten auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger. Das Landgericht wies die Klage ab, während das Kammergericht der Berufung des Klägers teilweise stattgab und feststellte, dass auch eine Fortführung durch einen einzelnen Gesellschafter möglich sei. Diese Entscheidung wurde vom BGH aufgehoben, da sie gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoße. Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bilde der Wortlaut einer Vereinbarung sowie der Parteiwille den Ausgangspunkt der Auslegung. Aus der Formulierung, dass die Fortführung ausdrücklich nur durch mehrere verbliebene Gesellschafter beschlossen werden kann, lasse sich nicht ohne Weiteres durch Auslegung ermitteln, dass damit gemeint sei, dass dies auch durch den letztverbleibenden Gesellschafter erfolgen könne.

Zwar sei grundsätzlich selbst ein vermeintlich klarer und eindeutiger Wortlaut keine Grenze für die Auslegung. Allerdings seien solche Gesamtumstände, die eine anderslautende Auslegung rechtfertigen würden, von den Instanzgerichten bisher nicht festgestellt worden.

Praxishinweis

Die GbR ist angesichts der geringen Formvorschriften und Kostenvorteilen gegenüber anderen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften nach wie vor beliebt.

Das Urteil des BGH verdeutlicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Formulierung von Fortführungsklauseln in Gesellschaftsverträgen. Grundsätzlich gilt, dass beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer GbR das Gesellschaftsvermögen auf den verbleibenden Gesellschafter im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Der BGH stellte klar, dass die Privatautonomie großen Einfluss auf die Rechtsfolgen nehmen kann und darauf abgestellt werden muss, welchen Inhalt die Fortführungsklausel bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags haben sollte. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis, insbesondere für Anwaltssozietäten und andere Berufsgruppen, die in der Form einer GbR oder einer anderen Rechtsform der Personengesellschaften organisiert sind.

Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass bei der Erstellung von Gesellschaftsverträgen sorgfältig darauf geachtet werden muss, ob und wie eine Fortführung der Gesellschaft im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters und insbesondere des letztverbleibenden Gesellschafters, geregelt wird. Es empfiehlt sich, klare Regelungen zu treffen, um im Streitfall eine eindeutige Grundlage zu haben. Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Notwendigkeit, die tatsächlichen Vereinbarungen der Gesellschafter präzise festzuhalten und zu dokumentieren.