Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Immobilienkredite
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Mietverträge sind deutlich erkennbar. In der Konsequenz wird auch die Darlehens-rückzahlung vielen Vermietern zunehmend Schwierigkeiten bereiten. Gleiches gilt aber auch für Unternehmen mit eigenen fremdfinanzierten oder geleasten Immobilien. Eine Aussetzung von Zahlungen unter Finanzierungsverträgen sehen Notmaßnah-men des Gesetzgebers – außer für Verbraucherdarlehen – nicht vor.
Nicht nur bei Zahlungsausfällen, sondern auch bei Verletzung vereinbarter Finanzkennzahlen oder aufgrund von „MAC-Klauseln“ können schnell unangenehme Konsequenzen unter den Darlehensverträgen drohen. Um diese zu vermeiden und das außergewöhnliche Risiko möglichst angemessen zu verteilen, sollten schnellstmöglich Abstimmungen zwischen Immobilien-eigentümern und Finanzierern stattfinden.
Dabei sollte nicht nur im Blick behalten werden, Abstimmungen zu Darlehensverträgen zu erzielen. Auch bei der Abstimmung mit Mietern sind Darlehensgeber in aller Regel zu beteiligen und sollten frühzeitig eingebunden werden. Zudem ist zu prüfen, ob und wie etwaige Finanzierungslücken mit staatlicher Hilfe geschlossen werden können.
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde am 27. März 2020 im Bundes-gesetzblatt verkündet (im Folgenden „Corona-Gesetz“). Die für Darlehens-verträge und Mietverträge maßgeblichen Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches treten am 1. April 2020 in Kraft.
Welche Folgen aus den Maßnahmen gegen die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und insbesondere aus dem Corona-Gesetz für die Kreditverträge von Immobilienunternehmen ergeben, soll im Folgenden aufgezeigt werden.
Auswirkungen der Krise auf Cash-Flow bei Bestandshaltern
Mietvertragseinnahmen sind wesentliche Einnahmequelle und essentieller Baustein des Cash-Flow eines Immobilienunternehmens.
Auf der Ausgabenseite stehen dem in aller Regel entsprechend austarierte Kapitaldienste gegenüber. Brechen Mieteinanhmen weg, können Zins- und Kapitaldienste schnell nicht mehr bedient werden, Kreditverträge werden notleidend.
Nach den neuen Gesetzen können Mieter aufgrund der Krise Mietzahlungen mindestens bis Juni aussetzen, ohne Gefahr zu laufen, dass der Vermieter den Mietvertrag kündigt. Viele Mieter insbesondere im Retail-Bereich werden in der Folge behördlicher Schließungsanordnungen und entsprechender Umsatz-ausfälle nicht in der Lage sein, Mietzahlungen in voller Höhe zu leisten.
Zudem ist die Rechtslage im Hinblick auf die Möglichkeit der Reduzierung von Mietzahlungen unklar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gerichte eine behördliche Schließung künftig als Mangel der Mietsache qualifizieren oder den betroffenen Mietern ein Recht auf eine vorübergehende Mietanpassung aufgrund einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage einräumen.
Zudem ist die Rechtslage im Hinblick auf die Möglichkeit der Reduzierung von Mietzahlungen unklar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gerichte eine behördliche Schließung künftig als Mangel der Mietsache qualifizieren oder den betroffenen Mietern ein Recht auf eine vorübergehende Mietanpassung aufgrund einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage einräumen.
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
Dieser gesetzlichen Privilegierung der Mieter steht keine vergleichbare Rege-lung für Darlehensverträge gegenüber. Entgegen ersten Entwürfen sieht das Corona-Gesetz derzeit nur für Verbraucherdarlehensverträge eine Stundung der Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungssansprüche, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig werden, vor (was freilich für Immobilienfinananzierer im Einzelfall auch zum Problem werden kann). Die Regelung kann durch Verordnung insbesondere auf Kleinstunternehmen (max. 9 Beschäftigte, max. EUR 2 Mio. Umsatz/Bilanzsumme pro Jahr) erweitert werden. Weitere Ausweitungen etwa auf kleine und mittlere Unternehmen erscheinen derzeit eher unwahrscheinlich, da der Gesetzestext dies nicht ausdrücklich vorsieht.
Darlehensverträge, die nicht Verbraucherdarlehensverträge sind, fallen also nicht unter die Notfallregelungen. Die Behandlung etwaiger Zahlungsausfälle bei Immobilienkrediten muss daher anhand der allgemeinen Regelungen gelöst werden.
Gesetzliche Rechte des Darlehensgebers
Kann der Mieter Mietzahlungen zurückbehalten, ist die Fähigkeit des Vermieters, seinerseits die ausstehenden Darlehensraten zu bedienen, schnell be-droht. Die Rechte des Darlehensgeber hängen vor allem von den Vereinbarungen des Darlehensvertrages ab.
Zunächst gerät der Darlehensnehmer in der Regel mit der nicht fristgerechten Zahlung in Verzug, was zu erhöhten Zinsen und ggf. Schadensersatz-ansprüchen des Darlehensgebers führt. Hinzu kommt aber nach § 490 Abs. 1 BGB das Recht des Darlehensgebers zur fristlosen Kündigung, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmer oder in der Werthaltigkeit von Sicherheiten eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht. Eine solche wesentliche Verschlechterung ist jede für die Befriedigungs-aussichten des Darlehensgebers nachteilige Veränderung der Vermögens-verhältnisse des Darlehensnehmers, insbesondere eine Verschlechterung der Ertragsaussichten des Unternehmens oder eine Vermehrung oder das Fälligwerden von Verbindlichkeiten. Der Eintritt einer solchen Situation ist angesichts der dramatischen Ausfälle im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie durchaus nicht unwahrscheinlich, jedenfalls wenn der Einnahmeausfall nicht nur zwei bis drei Wochen anhält.
Einschränkungen erfährt dieses Kündigungsrecht aber zunächst dadurch, dass die Kündigung nicht rechtsmissbräulich erfolgen darf. Insbesondere wenn der Darlehensnehmer darauf vertrauen durfte, dass der Darlehensgeber in der derzeitigen Krisensituation den Kreditvertrag nicht kündigen wird, kann ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen. Sollte der Darlehensgeber – gegenüber dem Darlehensnehmer oder auch öffentlich – entsprechende Aussagen getätigt haben, könnte das durchaus der Fall sein.
Weiterhin darf eine Kündigung auch nicht zur Unzeit erfolgen (§§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675 Abs. 1, 2. HS BGB analog). Der Kündigung muss zudem eine Abmahnung und Möglichkeit zur Abhilfeschaffung vorausgehen. Dies bedeutet aber im Ergebnis nichts anderes als eine Rückzahlungsfrist, weil nach Abmahnung und dem Setzen einer Zahlungsfrist die Kündigung weiterhin wirksam und dann auch berechtigt ist.
Übliche vertragliche Rechte des Darlehensgebers
Gerade größere Darlehensverträge sehen in aller Regel ein differenzierteres System vor, um aus Sicht des Darlehensgebers rechtzeitig reagieren zu können, wenngleich Zahlungsausfälle (payment default) sehr schnell zur Kündigung berechtigen.
Zur Messung der Vermögens- oder Einkommenslage des Darlehensnehmers sehen viele Kreditverträge genauere Kennzahlen (financial covenants) vor. Relevante financial covenants sind bei Immobiliendarlehen unter anderem die Einhaltung einer bestimmten Fremdkapitalquote (loan to value), von Zinsdeckungsgraden (interest cover ratio) oder Kapitaldeckungsgraden (debt service coverage ratio). Dabei sind bei Bestandshaltern die Mieteinnahmen von wesentlicher Bedeutung v.a. für Zins- und Kapitaldeckungsgrad.
Werden die Kennzahlen nicht eingehalten, stehen dem Darlehensgeber in der Regel Abhilfemaßnahmen in verschiedenen Abstufungen zu. Die Kündigung und Fälligstellung des Darlehens sowie die Verwertung von Sicherheiten stellen immer eine ultima ratio dar, an der Darlehensgeber oft kein Interesse haben. Rechtsfolgen sind daher häufig:
- Verwendung von Einnahmen und freier Liquidität vorrangig zur Bedie-nung und Rückführung von Finanzierungsverbindlichkeiten (cash sweep);
- Stellung weiterer Sicherheiten (etwa Gesellschaftergarantien oder Offenlegung von Abtretungen);
- Erweiterte Informations- und Berichtspflichten;
- Rechte des Darlehensgebers zur Einwirkung auf Mietverträge, insbesondere zur Geltendmachung von Kündigungsrechten.
Teilweise treten solche Abhilfemöglichkeiten automatisch bei der Verletzung von Finanzkennzahlen ein.
Dies gilt noch einmal verschärft für echte Fälle des Verzuges, bei dem der Darlehensnehmer nicht nur Auflagen verletzt, sondern mit seiner Haupt-leistungspflicht, nämlich Zins- und Tilgungsleistungen, in Verzug gerät.
Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, etwaige Covenantbrüche durch Einschuss von Eigenkapital zu heilen („cure rights“), oft begrenzt.
Weitere Konsequenzen
Neben den Rechten der Darlehensgeber bei pandemiebedingten Zahlungs-ausfällen können sich weitere Konsequenzen ergeben. Insbesondere werden Vereinbarungen mit Mietern zu Stundungen oder sonstigen Maßnahmen in der Regel schon aufgrund der erfolgten Abtretung an die finanzierende Bank der Zustimmung dieser Bank bedürfen.
Die Verhandlungen mit Mietern sollten daher stets im Licht der Finanzierung koordiniert und ggf. mit den Banken abgestimmt werden, um unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden. Vielfach sind es nicht nur die negativen Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung, sondern auch der Vertrauensverlust bei den Banken, der eine mittel- und langfristige Lösung vereitelt und im schlimmsten Fall zur Insolvenz führen kann.
Viele Darlehensverträge enthalten zudem sogenannte MAC-Klauseln, Bestim-mungen, die an eine wesentliche Veränderung (Material Adverse Change) der Situation des Darlehensnehmers anknüpfen. Häufig sind hier Anpassungs- und Kündigungsrechte der Darlehensgebers vorgesehen.
Beeinträchtigen die Mietausfälle (oder sonstige Umsatzausfälle) die Zahl-ungsfähigkeit, sind natürlich auch Insolvenzfragen zu beachten. Regelmäßig stellt die Insolvenz des Darlehensnehmers einen Kündigungsgrund unter den Darlehensverträgen dar.
Hier ist jedoch nun zu differenzieren: Stellt der Darlehensvertrag auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stellung von Insolvenzanträgen ab, ist zu beachten, dass die Insolvenzantragspflicht des Schuldners aufgrund des Corona-Gesetzes bis zum 30. September 2020 ausgesetzt ist und auch Gläubigeranträge meist ausgeschlossen sein werden. Sofern aber die Klausel im Darlehensvertrag nicht (nur) auf das Verfahren, sondern (auch) auf die mate-rielle Insolvenzreife abstellt, wird eine Kündigung nicht ausgeschlossen sein.
Unsere Empfehlung: Frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Darlehensgeber und Vereinbarung von Vertragsanpassungen
Darlehensnehmer sollten in der jetzigen Situation so frühzeitig wie möglich das Gespräch mit ihren Finanzierungsgebern suchen, um bereits vor der Verletzung von financial covenants oder dem Eintritt von Kündigungs-gründen eine Verständigung zu finden. Daneben ist zu prüfen, ob Vereinbarungen mit den Mietern mit den Finanzierern abzustimmen sind.
Relevant sind dabei insbesondere folgende Themen und Ziele:
- Parallele Abstimmung von Mietvertrags- und Finanzierungsthemen;
- Aussetzung oder Stundung von Tilgung und ggf. Zinsen, solange Mieteinnahmen nach Maßgabe des Corona-Gesetzes ausfallen können;
- Keine automatische Verschärfung der Pflichten unter den Finanzierungs-verträgen wegen Verletzung von financial covenants innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. bis Ende September);
- Verzicht („Waiver“) insbesondere auf Kündigungsrechte innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. bis Ende September);
- Ggf. Einräumung zusätzlicher Heilungsrechte der Gesellschafter („cure rights“);
- Keine Kündigung des Darlehensvertrages wegen Insolvenzreife, solange keine Insolvenzantragspflicht besteht.
Vor allem ist zu prüfen und ggf. mit den Finanzierern zu klären, ob und welche Überbrückungsmittel zur Verfügung stehen, etwa KfW-Darlehen oder Bundes- bzw. Landesbürgschaften. Dabei ist nicht nur auf die kurzfristige Erhaltung der Zahlungsfähigkeit zu achten, sondern auch die mittel- bzw. langfristige Perspektive einzubeziehen.
Unsere Experten im Mietrecht und im Finanzierungsrecht stehen kurzfristig bereit, Sie umfassend zu beraten und Sie bei der Abstimmung und Umsetzung der notwendigen Schritte mit allen Beteiligten zu unterstützen.
Sprechen Sie uns gerne an!