Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das gewerbliche Mietrecht
Aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen gewerbliche Mietvertragsparteien vor großen Herausforderungen. Insbesondere der Einzelhandel und die Gastronomie sind aufgrund der flächendeckenden Schließungen finanziell massiv betroffen. Aber auch in Bezug auf in Errichtung oder im Umbau befindliche Mietflächen ergeben sich zahlreiche Fragestellungen.
Wer trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko für eine Mietfläche?
Können gewerbliche Mieter ihre Mieträume – ob aufgrund behördlicher Anordnungen oder aus eigener Vorsicht – nicht mehr nutzen, ohne dass dies in einem Mangel der Mietfläche begründet ist, sind sie grundsätzlich weiterhin zur Zahlung der Miete verpflichtet. Dieses Risiko, die Mietsache zu dem vorgesehenen Zweck nutzen zu können (Verwendungsrisiko) und mit ihr Gewinne zu erzielen (Gewinnerzielungsrisiko), liegt nach der gesetzlichen Regelung beim Mieter. Bei Krisen und Eingriffen seitens der öffentlichen Hand kommen in Einzelfällen Anpassungen in Betracht.
Kann der Mieter die Miete mindern, wenn er sie infolge von behördlichen Anordnungen nicht mehr nutzen kann?
Die Anordnung der Schließung von Geschäften aufgrund behördlicher Anordnungen stellt im Regelfall keinen Mangel der Mietsache dar, der zu einer Minderung der Miete berechtigen würde, da sich hier das gesetzlich dem Mieter zugewiesene Verwendungsrisiko verwirklicht. Eine detailliertere Betrachtung ist ggf. geboten, wenn aufgrund behördlicher Anordnung die Zugänglichkeit zu den Mieträumen nicht mehr gegeben ist und der Vermieter seinerseits nicht mehr in der Lage ist, den Gebrauch der Mietsache wie vertraglich geschuldet zur Verfügung zu stellen (denkbar z.B. bei Gebietssperrungen oder auch in Einkaufszentren). Behördliche Verfügungen stellen nur dann einen Mangel der Mietsache dar, wenn sie ihren Grund in dem Mietobjekt selbst oder ggf. dem unmittelbarn Umfeld haben. Die Einschränkung des Betriebs des Mieters in der Mietfläche aufgrund behördlicher Anordnung haben ihren Ursprung in der Art des Geschäftsbetriebs des Mieters und stellen daher grundsätzlich keinen Mangel dar.
Kann eine Anpassung der Miete aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangt werden?
Gemäß § 313 BGB kann bei einer schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, die Anpassung des Vertrages verlangt werden. Beurteilungsmaßstab ist dabei insbesondere die gesetzliche und vertragliche Risikoverteilung der Parteien. Der BGH hat in seinen Entscheidungen zum gewerblichen Mietrecht in diesem Zusammenhang wiederholt betont, dass das gesetzliche Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko allein beim Mieter liege. Nur in Ausnahmefällen soll trotz einseitiger Risikozuweisung eine Anpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage möglich sein. Ob ein solcher Ausnahmefall durch die vorübergehenden Geschäftsschließungen infolge der COVID-19-Pandemie gegeben ist, erscheint im Lichte der bisherigen restriktiven Rechtsprechung in hohem Maße zweifelhaft. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wird man wohl davon ausgehen müssen, dass ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage tendenziell nicht gegeben ist. Zugleich muss man allerdings in Rechnung stellen, dass die aktuelle Situation einer flächendeckenden Geschäftsschließung für einen noch offenen Zeitraum eine unvorhersehbare Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse herbeiführt und der – wenn auch vorübergehende – Entfall der Verwendungsmöglichkeit durch objektive Umstände begründet ist, die jeden Mieter an der Möglichkeit der Nutzung der Mietfläche hindern würde. Mietern ist daher anzuraten, zunächst auf ihre Vermieter zuzugehen, um möglichst eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Eine Abweichung von der gesetzlichen Risikozuweisung kann sich außerdem ergeben, wenn die Mietvertragsparteien durch vertragliche Gestaltung eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Risikoverteilung vereinbart haben. Ein solches kann anzunehmen sein, wenn der Vermieter am Erfolg der Verwendung der Mietsache partizipiert, z.B. durch Vereinbarung einer Umsatzmiete.
Müssen Mieter die Betriebskosten auch dann weiterhin zahlen, wenn sie die Mietsache nicht nutzen können?
Der Mieter ist für die Zeit des fehlenden Gebrauchs der Mietsache teilweise von den Betriebskosten befreit (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt jedenfalls für die verbrauchsabhängigen Betriebskosten (Energie, Wärme und Wasser) und unabhängig davon, ob eine Pauschale oder Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu leisten sind. Er kann daher von ihm monatlich zu leistende Vorauszahlungen und/oder Pauschalen um den Anteil kürzen, der auf die wegen des ausgesetzten Gebrauchs der Mietsache nicht anfallenden verbrauchsabhängigen Betriebskosten entfällt. Die (verbrauchsunabhängigen) Fixkosten hingegen sind weiterhin zu zahlen.
Verstößt der Mieter gegen eine vertraglich vereinbarte Betriebspflicht, wenn er seinen Betrieb aufgrund der COVID-19-Pandemie schließt?
In vielen Mietverträgen ist dem Mieter eine Betriebspflicht auferlegt. Mit einer behördlichen Anordnung der Schließung des Betriebes wird die Erfüllung für ihn unmöglich. Er wird daher von seiner Betriebspflicht befreit. Schließt der Mieter aus Vorsicht, insbesondere zum Schutz seiner Mitarbeiter, seinen Betrieb, liegt zwar objektiv eine Vertragsverletzung des Mieters vor, Schadensersatzansprüche wird der Vermieter aber in der Regel nicht durchsetzen können, weil die Betriebsschließung vom Mieter nicht verschuldet ist. Auch eine auf die Verletzung der Betriebspflicht gestützte außerordentliche Kündigung des Vermieters (§ 543 Abs. 1 BGB) hielte einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.
Wie sollten sich Mieter nun gegenüber dem Vermieter verhalten?
Stellt der Mieter die Mietzahlungen ein oder kürzt er eigenmächtig die Miete, muss er mit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung rechnen (§ 543 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BGB). Wir empfehlen daher, die Miete nicht eigenmächtig zu kürzen, sondern stattdessen das offene Gespräch mit dem Vermieter zu suchen.
Was passiert, wenn der Vermieter ein in Errichtung oder Umbau befindliches Mietobjekt nicht rechtzeitig fertig stellen kann und sich der mit dem Mieter vereinbarte Übergabetermin verschiebt?
Auch der Vermieter kann in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn er die Übergabe einer in Errichtung oder Umbau befindlichen Mietfläche zu einem fixen Übergabetermin schuldet. Personalausfälle und Lieferschwierigkeiten von Material infolge der COVID-19-Pandemie führen aktuell bereits zu Verzögerungen auf Baustellen und es ist damit zu rechnen, dass sich die Situation weiter zuspitzt. Ohne die Gebrauchsüberlassung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand ist der Mieter nicht zur Mietzahlung verpflichtet und die kalkulierten Mieteinnahmen fallen weg. Sofern der Mieter bereits eine Mietsicherheit geleistet hat, kann er diese ggf. zurückfordern.
Schadensersatzansprüche wird der Mieter hingegen in aller Regel nicht erfolgreich durchsetzen können, soweit der Vermieter nachweisen kann, dass er trotz aller zumutbarer Anstrengungen aufgrund der aktuellen Krise nicht in der Lage war, die Mietfläche rechtzeitig fertigzustellen. Es liegen in diesem Fall für den Vermieter unabwendbare Umstände vor. Gleiches gilt, sofern die rechtzeitige Übergabe mit einer verschuldensabhängigen Vertragsstrafe belegt ist.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Mieter wegen der fehlenden Gebrauchsüberlassung zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt sein kann. Die Gebrauchsüberlassungsverpflichtung des Vermieters besteht nach der gesetzlichen Regelung verschuldensunabhängig und der Mieter ist nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur Kündigung des Mietverhältnisses auch dann berechtigt, wenn der Vermieter ihm den Gebrauch der Mietsache schuldlos nicht vertragsgemäß überlässt. Sehr häufig werden für die Übergabe in Bau oder Umbau befindlicher Mietflächen in Mietverträgen jedoch vom Gesetz abweichende Regelungen getroffen. Es sollten daher für die in Rede stehende Konstellation die vertraglich vereinbarten Regelungen sorgfältig geprüft werden.