A&O Hostel and Hotel: EuG gibt Orientierung für Beihilfen an Jugendherbergen
Mit dem Urteil vom 28. März 2019 (T-578/17) hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) einen Beschluss der EU-Kommission (SA.43145) aufgehoben, der eine Beihilfe der Stadt Berlin zugunsten der Jugendherberge Ostkreuz genehmigte.
Hintergrund des Rechtsstreits
Das Urteil betrifft staatliche Mittelgewährungen an die drittgrößte Jugendherberge in Deutschland und die größte Jugendherberge in Berlin. Das Land Berlin verpachtete ein Gebäude im Landeseigentum für 30 Jahre pachtzinsfrei an das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH). Im Gegenzug verpflichtete sich das DJH, in das Gebäude zu investieren und es instand zu halten. Hierin sah ein Wettbewerber, die A&O-Kette, eine mögliche Wettbewerbsverzerrung und legte erfolglos Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Die EU-Kommission sah die Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar an und genehmigte sie auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. c). Diesen Beschluss focht die A&O-Kette erfolgreich vor dem EuG an, der den Beschluss aufgrund von Verfahrensfehlern für nichtig erklärte.
Betrieb einer Jugendherberge als DAWI?
In dem vorläufigen Prüfverfahren befasste sich die EU-Kommission mit der Frage, ob der Betrieb einer Jugendherberge als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV eingeordnet werden kann. Dies erscheint grundsätzlich möglich. Den Mitgliedsstaaten kommt bei der Festlegung von DAWI ein weites Ermessen zu. Eine Kontrolle durch die EU-Kommission ist auf offenkundige Fehler beschränkt. Das Konzept der Jugendhilfe, die das erklärte Ziel des DJH ist, kann als eine Leistung angesehen werden, die zum Wohle der Bürger oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes erbracht wird. Die Einordnung als DAWI erfordert aber darüber hinaus entscheidend den Nachweis eines Marktversagens. Aus Sicht der EU-Kommission war hierfür der Nachweis eines Unterangebots von Übernachtungs-möglichkeiten in Berlin erforderlich. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betrieb einer Jugendherberge als DAWI eingeordnet werden kann, blieb letztendlich offen, da jedenfalls kein Betrauungsakt vorlag und insbesondere der Pachtvertrag nicht die Voraussetzungen eines Betrauungsaktes erfüllte.
Rechtfertigung auf Basis der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung
Als weitere Rechtfertigungsmöglichkeit erwog die EU-Kommission die Art. 53, 55 und 56 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO).
Sofern eine Jugendherberge ein ausgearbeitetes pädagogisches Kulturkonzept hat, wäre eine Rechtfertigung über Art. 53 AGVO (Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes) denkbar. Jedoch sind zulässige Beihilfen hiernach auf die Förderung der im Zusammenhang mit dem kulturellen Konzept anfallenden Investitions- oder Betriebskosten begrenzt, was eine detaillierte Trennungsrechnung erforderlich macht, die aber in diesem Fall nicht gegeben war.
Die EU-Kommission sah auch den Anwendungsbereich des Art. 55 AGVO (Beihilfen für Sportinfrastrukturen und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen) als nicht eröffnet an, da Art. 55 Abs. 3 Hotels ausschließt. Unabhängig davon wäre bei Eröffnung des Anwendungsbereichs im Falle einer multifunktionalen Freizeitinfrastruktur nur eine Investitionsbeihilfe zu rechtfertigen gewesen, nicht jedoch der Erlass von Pachtzinsen, der eine Betriebsbeihilfe darstellt.
Auch den Anwendungsbereich des Art. 56 AGVO (Beihilfen für lokale Infrastrukturen) sah die EU-Kommission nicht als eröffnet an. Die Jugendherberge leiste keinen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher und zur Weiterentwicklung der industriellen Basis. Ferner handele es sich um eine Infrastruktur, die eindeutig einem bestimmten Endnutzer gewidmet sei. Die Antwort darauf, wer aus ihrer Sicht der Endnutzer einer Jugendherberge sei, blieb die EU-Kommission schuldig.
Unabhängig von der Frage nach dem einschlägigen Tatbestand der AGVO, stellt aus Sicht der EU-Kommission der Erlass eines Pachtzinses keine transparente Beihilfe im Sinne des Art. 5 AGVO dar.
Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV
Die EU-Kommission überprüfte schließlich die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV (Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige). Voraussetzung hierfür ist, dass die Beihilfe zur Verwirklichung eines Ziels von gemeinsamen Interesse beiträgt, für die Erreichung dieses Ziels erforderlich ist und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändert, welche dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Im Fokus der Prüfung stehen der Anreizeffekt, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der Beihilfe.
Alle drei Punkte sah das EuG als durch die EU-Kommission nicht hinreichend geprüft und nachgewiesen an. Der Umstand, dass es sich um eine Betriebsbeihilfe handelt, die nur ausnahmsweise zulässig ist, hätte die EU-Kommission aus Sicht des EuG zu einer besonders sorgfältigen Prüfung veranlassen müssen. Diesem Maßstab genügte die Prüfung des Anreizeffektes nicht, da die für die Begründung und den Nachweis wichtigen Dokumente nicht Bestandteil des Beschlusses der EU-Kommission waren. Überdies versäumte es die EU-Kommission, im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit darzulegen, wie sich bei einem Pachtzinserlass i.H.v. insgesamt EUR 27,4 Mio., dem Investitionen i.H.v. EUR 10,2 Mio. gegenüberstehen, eine Überkompensation ausschließen lässt.
Dieses Urteil macht deutlich, dass Beihilfen zu Gunsten von Jugendherbergen grundsätzlich gerechtfertigt werden können. Die Einordnung als DAWI ist aber kein Selbstläufer, sondern erfordert eine eingehende Prüfung sowie eine Beaufsichtigung der Einhaltung aller erforderlichen Voraussetzungen.