Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Überarbeitung der de-minimis-Verordnung durch die EU-Kommission

Verfasst von

Friederike Sophie Nietz

Die Auswirkungen eines Verstoßes gegen das EU-Beihilfenrecht können durch drohende Schadensersatzforderungen, Haftungsrisiken oder Rückforderungen mitunter folgenreich sein. Umso wichtiger sind daher die Regelungen der de-minimis-VO (VO (EU) 1407/2013 der KOM vom 18.12.2013), die Beihilfengewährungen in geringer Höhe unter erleichterten Bedingungen ermöglichen. Da vor allem Kommunen und kommunale Unternehmen sowohl als Fördermittelgeber als auch Fördermittelempfänger in Erscheinung treten, entfaltet diese Regelung für sie sogar in doppelter Hinsicht Relevanz.

Bisherige Rechtslage

Wenig zeitgemäß erscheinen deshalb die Schwellenwerte der de-minimis-VO, die seit ihrer ersten Anpassung im Jahr 2006, mit einer Höhe von € 100.000 für Unternehmen des Straßentransportsektors sowie € 200.000 für alle übrigen Unternehmen, unverändert geblieben sind.

Ob diese Regelungen noch ihren Zweck unter Berücksichtigung der europäischen Ziele, wie u.a. dem europäischen Green Deal, oder aktuellen Entwicklungen, wie der COVID-19-Krise oder dem Ukraine-Konflikt erfüllen, hat auch die EU-Kommission mittlerweile als fraglich eingestuft. Nicht nur vor dem Hintergrund des Auslaufdatums der aktuellen de-minimis-VO am 31.12.2023 sind Neuerungen also dringend erforderlich.

Änderungsentwurf der EU-Kommission

Dem Bedürfnis nach Überarbeitung kommt die EU-Kommission nun durch die Mitteilung des Änderungsentwurfes vom 15.11.2022 nach (C (2022) 8067 final). Der Fokus wird in der Überarbeitung insbesondere auf folgende Aspekte gerichtet:

  • Erhöhung des allgemeinen Höchstbetrages für de-minimis-Beihilfen von € 200.000 auf € 275.000 sowie Erhöhung des besonderen Höchstbetrages für Unternehmen des gewerblichen Straßengüterverkehrs von bisher € 100.000 auf künftig € 137.500, um dadurch insbesondere der gestiegenen Inflation seit 2013 Rechnung zu tragen.
  • Verschärfung der Transparenzvorschriften durch die Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten zur Bereitstellung eines zentralen de-minimis-Beihilfenregisters, welches Informationen zum Beihilfeempfänger, Beihilfebetrag, Bewilligungsdatum, Beihilfeinstrument, betroffenen Wirtschaftszweig sowie zur Bewilligungsbehörde öffentlich zugänglich macht. War nach der bisherigen Rechtslage lediglich eine Übermittlung sämtlicher Informationen direkt an die EU-Kommission und nur in Folge eines schriftlichen Ersuchens erforderlich, hat künftig die Mitteilung über das zentrale Beihilfenregister zu erfolgen. Die neue Methode soll für eine einheitliche und korrekte Anwendung der Beihilfevorschriften sorgen und das aus Sicht der EU-Kommission mangelhafte Monitoring-Systems verbessern.

Ausblick

Auch wenn eine Erhöhung der de-minimis-Schwellenwerte grundsätzlich eine begrüßenswerte Neuerung darstellt, sind auch die neuen Schwellenwerte deutlich zu gering, um den Zielsetzungen der EU-Kommission und den aktuellen Entwicklungen ausreichend Rechnung tragen zu können. Sollte sich der Inflationsanstieg gleichbleibend entwickeln, kann diese Anhebung sich bereits in naher Zukunft erschöpft haben.

Die neu eingeführten Vorschriften zur Transparenz stellen eine eindeutige Verschärfung dar, die jedoch nur bedingt geeignet ist, um eine mögliche Überschreitung von de-minimis-Schwellenwerten zu überwachen. Auch wenn das verpflichtende Zentralregister vor allem die nationale Ebene betrifft, bleibt das Monitoring im kommunalen Konzern auch weiterhin relevant und im Einzelfall aufwendig.

Der Entwurf befindet sich nach dem Abschluss der Konsultationen am 10.01.2023 zurzeit in einer Überarbeitungsphase durch die EU-Kommission. Wann diese Überarbeitungsphase beendet ist, und der finale Entwurf vorliegt, ist bis jetzt unklar. Es ist vorgesehen, dass die neue Verordnung zum 01.01.2024 in Kraft tritt.

In einer Stellungnahme an die EU-Kommission lehnte die Bundesrepublik Deutschland die geplanten Regelungen zum zentralen Register aus Gründen des Verwaltungsaufwandes und des Datenschutzes ab und bemängelte zudem die zu geringen Inflationsanpassungen. Deshalb wird von der BRD eine Erhöhung der Schwellenwerte auf € 500.000 vorgeschlagen.

Eine mögliche Anpassung der oben genannten Neuerungen i.R.d. endgültigen Fassung der neuen de-minimis-VO wäre im Ergebnis daher nicht überraschend.