Öffentliches Wirtschaftsrecht

Modernisierung des Personenbeförderungsrechts

Verfasst von

Dr. Georg Queisner

Dr. Matthias von Kaler

Der Bundesrat hat am 26. März 2021 dem Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts zugestimmt, das der Deutsche Bundestag am 5. März beschlossen hatte. Mit der Novelle, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden war, soll der Rechtsrahmen für die Personenbeförderung an geänderte Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und neue technische Entwicklungen angepasst werden.

Überblick

Die Novelle sieht für das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Änderungen bei den Regelungen zum sachlichen Anwendungsbereich, zum Linienverkehr sowie zum Verkehr mit Taxen und Mietwagen vor. Insbesondere werden zwei neue Verkehrsformen eingeführt, die jeweils eigene Rechtsgrundlagen erhalten, nämlich der „Linienbedarfsverkehr“ (§ 44) sowie der „gebündelte Bedarfsverkehr“ (§ 50) als neue Gelegenheitsverkehrsform. Zudem wird für Unternehmer im Gelegenheitsverkehr mit Personenkraftwagen und für Vermittler, die nicht Beförderer im Sinne des PBefG sind, eine Pflicht eingeführt, statische und dynamische Mobilitätsdaten bereitzustellen. Diese Verpflichtung dient insbesondere dazu, den zuständigen Behörden die Aufsicht und die Kontrolle zu erleichtern. Die Änderungen sind dabei so ausgestaltet, dass aus Sicht der Bundesregierung zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen ein fairer Ausgleich gewahrt bleibt und die Länder und Kommunen entsprechende Steuerungsmöglichkeiten erhalten.

Einbeziehung der digitalen Vermittlung

Um Rechtssicherheit zu schaffen, wird in § 1 PBefG – dort ist der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes geregelt – klargestellt, dass auch die digitale Vermittlung von Fahrten, die selbst als Beförderungsleistung einzustufen ist, genehmigungspflichtig ist und somit den Regelungen des PBefG unterliegt. Wann diese Vermittlung als Beförderungsleistung einzustufen ist, wird definiert. Die reine Vermittlung von Fahrten, zum Beispiel durch Taxizentralen, fällt künftig zwar in den Anwendungsbereich des PBefG, unterliegt aber nicht der Genehmigungspflicht.

Erleichterung für Mitnahme von Personen in Pkw

Vorgesehen ist auch, dass die Mitnahme von Personen in Personenkraftwagen bis zu einer bestimmten Grenze genehmigungsfrei ist. Dabei wird dynamisch auf eine Regelung zur Höhe der Wegstreckenentschädigung im Bundesreisekostengesetz  (§ 5) verwiesen. Demnach ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen nicht genehmigungspflichtig und unterliegt nicht den Regelungen des PBefG, solange das Gesamtentgelt aller Fahrgäste den Höchstbetrag von derzeit 30 Cent pro zurückgelegtem Kilometer nicht überschreitet. Dabei sind unverändert auch mittelbare Entgelte (wirtschaftliche Vorteile) zu berücksichtigen.

Verpflichtung zur Bereitstellung von Mobilitätsdaten

Für personenbefördernde Unternehmer im Gelegenheitsverkehr mit Personenkraftwagen und von Vermittlern solcher Leistungen ist eine besondere Verpflichtung vorgesehen. Sie müssen statische und dynamische Mobilitätsdaten zu Aufsichts- und Kontrollzwecken bereitstellen, um so datenbasierte intelligente digitale Verkehrsdienste und einen effizienteren Verwaltungsvollzug zu ermöglichen. Der Begriff der „Mobilitätsdaten“ erfasst dabei jedenfalls Informationen über Routen, Haltepunkte, Fahrpläne, Positionen in Echtzeit, Preise, Verfügbarkeit und Barrierefreiheit, wobei nähere Einzelheiten durch Rechtsverordnung festgelegt werden. Grundsätzlich sollen die Mobilitätsdaten über den Nationalen Zugangspunkt (NAP) bereitgestellt werden; die zuständigen Verwaltungsbehörden erhalten dann die Möglichkeit, über den NAP auf die Daten der Unternehmer und Plattformbetreiber zuzugreifen.

Neue Verkehrsform: Linienbedarfsverkehr

In § 44 PBefG wird die neue Verkehrsform „Linienbedarfsverkehr“ eingeführt, um eine reguläre Genehmigungsfähigkeit bedarfsgesteuerter Linienverkehre kommunaler und privater Verkehrsunternehmen unter dem Dach des ÖPNV sicherzustellen. Diese Verkehrsform ist dem Linienverkehr zugeordnet und durch vorgegebene verkehrliche Merkmale gekennzeichnet. So muss die neue Verkehrsform innerhalb eines festgelegten Gebiets ohne festen Linienweg zwischen bestimmten Einstiegs- und Ausstiegspunkten angeboten werden. Der Fahrt muss zudem eine vorherige Bestellung der Fahrgäste vorausgehen. Vom Linienbedarfsverkehr werden insbesondere die „Anruf-Busse“ bzw. Anruf-Linien-Taxis (ALT) erfasst sein.

Neue Gelegenheitsverkehrsform: gebündelter Bedarfsverkehr

Um auch außerhalb des ÖPNV eine reguläre Genehmigungsfähigkeit neuartiger Pooling-Konzepte sicherzustellen, wird durch § 50 PBefG die neue Gelegenheitsverkehrsform „gebündelter Bedarfsverkehr“ eingeführt. Gebündelter Bedarfsverkehr darf ausschließlich den Bestellmarkt bedienen und unterliegt nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht. Diese Beförderungsleistung darf grundsätzlich nur in der Betriebssitzgemeinde bereitgehalten werden – für eine Bedienung in den Bezirken, die an die Betriebssitzgemeinde angrenzen, bedarf es des Einvernehmens der vom Bedienungsgebiet betroffenen Genehmigungsbehörden. Um die Auswirkungen der neuen Verkehrsform auf die vorhandenen Verkehre angemessen regulieren zu können, räumt § 50 PBefG den Landesregierungen oder – bei einer Übertragung der Verordnungsermächtigung – den Kommunen Steuerungsmöglichkeiten ein. So besteht die Verpflichtung, auf Grundlage einer bundesweit geltenden Methodik (Personenkilometer/Fahrzeugkilometer) eine zu erreichende Poolingquote für den Stadt- und Vorortverkehr festzulegen, um auf diese Weise die Effizienz dieser Verkehre für den jeweiligen Verkehrsraum zu erreichen. Ferner kann ein Preiskorridor (Höchst- und Mindesttarife) festgelegt werden, wobei lediglich die Festlegung eines Mindestpreises zwingend ist, der einen hinreichenden Abstand zu dem jeweils im ÖPNV geltenden Tarif gewährleistet. Die Genehmigung kann versagt werden, wenn durch die Ausübung des beantragten gebündelten Bedarfsverkehrs die Verkehrseffizienz im beantragten Bediengebiet nicht mehr sichergestellt ist und hierdurch die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden. Die Genehmigungsbehörde kann ferner die Beförderung von Personen im gebündelten Bedarfsverkehr zeitlich oder räumlich beschränken, soweit öffentliche Verkehrsinteressen dies erfordern. Auch Vorgaben zu Sozialstandards können von der Genehmigungsbehörde gemacht werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Rückkehrpflicht für das Fahrzeug des auftragslosen gebündelten Bedarfsverkehrs einzuführen. Schließlich ist zu beachten, dass diese Verkehrsform auf Personenkraftwagen beschränkt ist, also auf Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG).

Entlastung des Taxigewerbes

Um das Taxigewerbe regulatorisch zu entlasten, wird den zuständigen Genehmigungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt, die Taxitarifpflicht für den Bestellmarkt durch Einführung eines kommunal festgelegten Tarifkorridors (Höchst- und Mindestpreise) zu lockern sowie zu häufig frequentieren Zielen wie beispielsweise Messe, Flughafen und Bahnhof Streckentarife festzulegen. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer wird abgeschafft und im Gegenzug eine Pflicht eingeführt, ein dem Stand der Technik entsprechendes Navigationsgerät vorzuhalten. Ferner wird im Fahrerlaubnisrecht ein sog. „kleiner Fachkundenachweis“ für Taxifahrer eingeführt.

Änderung bei der Rückkehrpflicht bei Mietwagen

An der Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen zum Betriebssitz wird festgehalten. Es wird jedoch die Möglichkeit geschaffen, die Rückkehrpflicht durch Festlegung weiterer Abstellorte ab einer bestimmten Distanz zum Hauptbetriebssitz näher auszugestalten. Zudem wird die in § 49 Abs. 4 Satz 4 PBefG enthaltene buchmäßige Erfassung um die Möglichkeit ergänzt, Auftragseingänge beim Unternehmer (nicht unmittelbar beim Fahrer) elektronisch zu erfassen, wobei auch App-basierte Auftragseingänge ermöglicht werden. Mit dem Gesetzentwurf sind außerdem Änderungen für die Genehmigungspraxis und Anpassungen mit Blick auf praxistauglichere Zuständigkeitsregelungen verbunden.

Fazit

Eine erhebliche Neuerung liegt in der expliziten Erfassung des Bedarfsverkehrs. Derzeit hinkt das Personenbeförderungsrecht der gewachsenen Bedeutung der Bedarfsverkehre erheblich hinterher. Nach geltendem Recht sind grundsätzlich nur die in § 2 Abs. 1 PBefG aufgezählten Beförderungstypen genehmigungsfähig. Die bedarfsorientierten Verkehre lassen sich jedoch zielführend weder unter Kraftfahrzeugen im Linien-, noch im Gelegenheitsverkehr subsumieren. Die erforderliche Genehmigung kann folglich nur als „typenähnliche Verkehre“ (§ 2 Abs. 6 PBefG) oder aufgrund der „Experimentierklausel“ (§ 2 Abs. 7 PBefG) erfolgen. Die Dauer einer nach der Experimentierklausel erteilten Genehmigung ist dabei grundsätzlich auf maximal vier Jahre beschränkt – ein Zeitraum, der für vorausschauend handelnde Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen in der Regel deutlich zu kurz bemessen ist. Auch divergiert die Verwaltungspraxis der Genehmigungsbehörden, auf welcher Rechtsgrundlage sie eine Genehmigung erteilen und wie diese ausgestaltet ist, deutschlandweit erheblich, was für überregional agierende Verkehrsunternehmen oder Investoren misslich ist.

Durch die Novelle wird allen Beteiligten des ÖPNV – seien es die öffentlichen Aufgabenträger, die Genehmigungsbehörden oder die privaten und kommunalen Verkehrsunternehmen – ein Regelwerk an die Hand gegeben, das einen rechtsichereren Rahmen und Gestaltungsspielräume schafft. Gerade im gebündelten Bedarfsverkehr werden den öffentlichen Beteiligten erhebliche Freiräume geschaffen. Hierdurch können den regionalen Eigenheiten Rechnung getragen und individuelle Verkehrsmodelle gestaltet werden. Zu beachten ist aber, dass diese Freiräume auch kontraproduktiv wirken können, indem etwa Rückkehrpflichten oder die Festlegung von Preiskorridoren unterschiedlich gehandhabt werden. Ausdrücklich wird mit der Novelle der Klimaschutz als Regelungszweck verankert (§ 1a PBefG). Diesem Ziel vermögen die neuen Bedarfsverkehrsformen in der Regel als gesamtheitliches Konzept in besonderem Maße zu dienen. Ländlichere Gebiete außerhalb der Ballungszentren können mit dem gebündelten Bedarfsverkehr erschlossen werden, der Linienbedarfsverkehr kann im Verdichtungsraum die avisierte Erhöhung des „modal splits“ zugunsten des ÖPNV vorantreiben. Durch die Genehmigungsfähigkeit im Einzelfall (§ 2 Abs. 6, 7 PBefG) bleibt das Personenbeförderungsrecht aber auch weiterhin für innovative und moderne Verkehrsformen offen.