Gesundheitsdatennutzungsgesetz: Ist die Forschung mit Gesundheitsdaten fortan leichter?
Das Bundeskabinett hat am 30. August 2023 den Entwurf zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verabschiedet, das voraussichtlich im Januar 2024 in Kraft treten wird. Ziel des GDNG ist es, die Nutzung von Patientendaten zu vereinfachen, insbesondere zu Forschungszwecken und weiteren im Gemeinwohl liegenden Zwecken. Das GDNG enthält hierzu vier maßgebliche Neuerungen.
Widerspruch statt Einwilligung
Patientendaten sollen zukünftig ohne gesonderte Einwilligung der Patienten zu Forschungszwecken genutzt werden dürfen, solange der Patient nicht aktiv widersprochen hat. Der Vorteil ist eine deutliche Vergrößerung der zur Verfügung stehenden Datenbasis. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der Widerspruch (Opt-out) für die Patienten barrierefrei und jederzeit möglich sein muss.
Weiterentwicklung des Forschungsdatenzentrums Gesundheit
Die forschende Industrie kann zukünftig auf Daten zugreifen, die beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gespeichert sind. Die Nutzung der Daten des FDZ ist allerdings an spezifisch definierte Zwecke geknüpft, die das Gemeinwohl in den Vordergrund rücken. Eine Bezugnahme auf mit dem Gemeinwohl vergleichbare Rechtsgrundlagen ist dem Datenschutzrecht nicht fremd. Insbesondere sind Verarbeitungen im öffentlichen Interesse beispielsweise zur wissenschaftlichen Forschung in der Datenschutz-Grundverordnung explizit normiert. Wo die Grenzen des Merkmals des Gemeinwohls im Einzelnen verlaufen, wird durch Auslegung zu ermitteln sein.
Zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle
Weiter wird die Datennutzung dadurch erleichtert, dass neben der datenhaltenden Stelle (FDZ) eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle geschaffen wird. Diese soll als zentrale Anlaufstelle die Datennutzer vor allem bei ihren Datenbereitstellungsanträgen unterstützen und so den schnellen Zugang zu Forschungsdaten fördern. Erstmalig wird dabei der Zugriff auf unterschiedliche Quellen ermöglicht. Die zentrale Stelle wird zudem dazu bestimmt, die Aufgaben wahrzunehmen, die sich aus der Verordnung des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) ergeben.
Vereinfachte Datenschutzaufsicht
Darüber hinaus wird die Zuständigkeit der Datenschutzaufsicht vereinfacht, indem zukünftig für bundesländerübergreifende Forschungsarbeit eine Aufsichtsbehörde die Federführung übernimmt. Die Bestimmung der federführenden Behörde erfolgt nach dem Sitz des umsatzstärksten Forschungspartners. Dies ist jedoch nicht unkritisch zu sehen. Durch die vorherrschende unterschiedliche Auslegung der Datenschutzgesetze und -vorgaben im Bereich Gesundheitsdatenschutz durch die Aufsichtsbehörden der 16 Bundesländer kann es zu Rechtsunsicherheiten und ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den datenanfragenden Stellen kommen.
Kritik am Gesetzesentwurf
Umfassende Kritik am Gesetzesentwurf übte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK). Nach Ansicht der DSK müsse der GDNG‐E die Perspektive der betroffenen Personen stärken und entsprechende Garantien und Maßnahmen mit einer wirksamen datenschutzkonformen Technikgestaltung nach der DS‐GVO vorsehen. Aktuell würden Datenschutzgrundsätze, Informationspflichten und Betroffenenrecht stark verwässert und die mit der Verknüpfung unterschiedlicher Gesundheitsdaten verbundenen Risiken nicht beleuchtet. Eine Gesetzes-Datenschutz-Folgenabschätzung sei daher dringend angezeigt.
Daneben müsse der Gesetzentwurf um effektive strafrechtliche Instrumente ergänzt werden. Konkret werden Regelungen gefordert, durch welche die unbefugte Offenbarung von personenbezogenen medizinischen Forschungsdaten unter Strafe gestellt, deren Beschlagnahme verboten und ein Zeugnisverweigerungsrecht für wissenschaftlich Forschende geschaffen werden.
Fazit
Mit dem GDNG wird die Nutzung vorhandener medizinischer Daten erheblich erleichtert. Im Fokus steht die Datennutzung zu Zwecken, die dem Allgemeinwohl dienen. Dies wird die privatwirtschaftliche Forschung und Entwicklung sowie die Gesundheitsforschung in Deutschland insgesamt vorantreiben. In diesem Entwurfsstadium wird aktuell jedoch noch stark über das angemessene Verhältnis zwischen dem individuellen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Grundrecht auf Forschungsfreiheit im Interesse der Allgemeinheit diskutiert. Adäquate technische und organisatorische Maßnahmen werden dabei eine wesentliche Rolle einnehmen.
Co-Autor des Beitrags ist Julian Kudera.