Die führungslose GmbH
Geschäftsführung und Vertretung einer GmbH obliegen den Geschäftsführern. Hat eine GmbH keinen Geschäftsführer (mehr), ist sie führungslos. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Führungslosigkeit und zeigt Handlungsoptionen auf. Insbesondere wird der nicht seltene Fall der Führungslosigkeit bei Insolvenz betrachtet.
A. Führungslosigkeit
Führungslosigkeit tritt ein, wenn der (letzte) Geschäftsführer einer GmbH aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen wegfällt, etwa weil er stirbt, sein Amt niederlegt oder ersatzlos abberufen wird. Keine Führungslosigkeit liegt dagegen vor, wenn der Geschäftsführer wegen Krankheit, Auslandsaufenthalt o. ä. nur vorübergehend verhindert ist, sich sein Aufenthaltsort nicht ermitteln lässt oder er sich lediglich passiv verhält.
B. Rechtsfolgen
1. Passivvertretung durch die Gesellschafter
Sind gegenüber der Gesellschaft Willenserklärungen abzugeben oder sind der GmbH Schriftstücke zuzustellen, wird die führungslose Gesellschaft gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG durch die Gesellschafter vertreten. Die Gesellschafter sind in diesem Fall einzeln empfangsberechtigt.
Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber vor allem der missbräuchlichen Praxis der „Firmenbestattungen“ begegnen, bei welcher durch Sitzverlegungen und Geschäftsführerabberufung versucht wird, Zustellungen und den Zugang von Willenserklärungen gegenüber der GmbH zu verhindern. Zum Schutz des Geschäftsverkehrs soll die Passivvertretung durch die Gesellschafter unabhängig davon gelten, ob letzteren die Führungslosigkeit bekannt ist.
Ist eine Person als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, ohne tatsächlich Geschäftsführer zu sein, können Geschäftsgegner entweder den fälschlich eingetragenen Nicht-Geschäftsführer gemäß § 15 HGB oder aber gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG die Gesellschafter der GmbH als Passivvertreter behandeln.
Beim Ausscheiden des letzten Geschäftsführers stellt sich insoweit das praktische Problem, dass die von einem Geschäftsführer anzumeldende Löschung des Geschäftsführers aus dem Handelsregister nicht mehr erfolgen kann. Jedenfalls eine Amtsniederlegung durch den letzten Geschäftsführer sollte daher nicht mit unmittelbarer Wirkung, sondern aufschiebend bedingt auf die durch ihn selbst noch anzumeldende Löschung im Handelsregister erfolgen.
2. Keine Aktivvertretung durch die Gesellschafter
Im Gegensatz zur Passivvertretung sah der Gesetzgeber keine Notwendigkeit, auch die Aktivvertretung der führungslosen GmbH zu regeln. Insofern liegt es vielmehr in der Verantwortung der Gesellschafterversammlung, möglichst zeitnah einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung einer führungslosen GmbH erfolgt gemäß § 50 Abs. 1 und 3 Alt. 2 GmbHG durch Gesellschafter, welche zusammen mindestens 10 % des Stammkapitals der GmbH halten.
Ist die Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung in angemessener Zeit nicht möglich, kommt unter engen Voraussetzungen die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht. In analoger Anwendung des § 29 BGB setzt die Bestellung eines Notgeschäftsführer zunächst das Fehlen oder die Verhinderung des Geschäftsführers voraus. Darüber hinaus muss die Bestellung des Notgeschäftsführers auch notwendig sein („dringender Fall“), weil die eigentlich zur Bestellung berufene Gesellschafterversammlung hierzu nicht in der Lage ist und Gesellschaft oder Dritten ohne die Bestellung des Notgeschäftsführers ein Schaden droht. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist allerdings nur zulässig, wenn es im erforderlichen Zeitrahmen keine andere Möglichkeit zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der GmbH gibt.
Ein besondere Schwierigkeit ergibt sich, wenn der einzige Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH verstirbt und keine geeigneten Maßnahmen zur Bestimmung des neuen Geschäftsführers getroffen wurden. So kann die wirksame Bestellung des neuen Geschäftsführers durch die Erben gegenüber dem Registergericht nicht wie üblich nachgewiesen werden, da letztere noch nicht als Gesellschafter in der beim Registergericht hinterlegten Gesellschafterliste genannt werden (§§ 16 Abs. 1 und 40 GmbHG). Folglich könnten sowohl die Einreichung einer entsprechend geänderten Gesellschafterliste durch den neuen Geschäftsführer als auch dessen eigene Anmeldung beim Handelsregister als Geschäftsführer vom Registergericht zurückgewiesen werden. In derartigen Fällen empfiehlt sich daher eine vorherige Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht.
3. Keine Prozessfähigkeit der GmbH bei Führungslosigkeit
Da die Prozessfähigkeit der GmbH einen zur Aktivvertretung befugten Vertreter voraussetzt, ist diese während der Führungslosigkeit nicht gegeben. Auch insofern kommt die Bestellung eines (Not-)Geschäftsführers in Betracht. Alternativ ist an die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO zu denken. Die Möglichkeit zur Bestellung eines Prozesspflegers steht der Bestellung eines mit zusätzlichen Befugnissen ausgestatteten Notgeschäftsführers nicht entgegen. Allerdings kann mit einem Rechtsstreit, für den bereits ein Prozesspfleger bestellt wurde, die Notwendigkeit für einen Notgeschäftsführer nicht mehr begründet werden.
4. Führungslosigkeit bei Insolvenz
Wird eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, so sind die Geschäftsführer gemäß § 15a Abs. 1 InsO verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen. Wird der Antrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig gestellt, drohen den Geschäftsführern bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§ 15a Abs. 4 InsO). Im Falle der Führungslosigkeit einer GmbH ist gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch jeder Gesellschafter zur Antragstellung verpflichtet, es sei denn, er hat von der Insolvenz oder der Führungslosigkeit der GmbH keine Kenntnis. Somit kann sich ein Gesellschafter-Geschäftsführer seiner Antragspflicht aus einer drohenden Insolvenz nicht durch vorherige Niederlegung der Geschäftsführung entledigen. Die mit der Antragspflicht korrespondierende Antragsbefugnis von Gesellschaftern einer führungslosen GmbH ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO.
Strittig ist, ob allein die Antragstellung durch die Gesellschafter ausreicht. So erfordert das Insolvenzverfahren die bei Führungslosigkeit in der Regel nicht gegebene Prozessfähigkeit der GmbH. In der Literatur wird vielfach vertreten, dass die Aktivvertretung durch die Gesellschafter und Prozessfähigkeit der GmbH insoweit unmittelbare Konsequenz der Antragsbefugnis seien. So wäre es paradox, wenn die Gesellschafter zwar zur Antragstellung berechtigt und verpflichtet sind, die entsprechenden Anträge dann aber wegen fehlender Prozessfähigkeit der GmbH gemäß § 4 InsO, § 51 ZPO als unzulässig zurückgewiesen würden. Allerdings sind entsprechende Zurückweisungen von Anträgen durch die Gerichte mit ebendieser Begründung erfolgt. Stattdessen wird gefordert, dass die Prozessfähigkeit der GmbH spätestens bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Bestellung eines (Not-) Geschäftsführers analog § 29 BGB analog oder eines Prozesspflegers wieder hergestellt sein müsse. Aber auch schon im Falle eines vorausgehenden Beschlusses des Insolvenzgerichts, wie etwa der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, kann die zwischenzeitlich wieder erfolgte Herstellung der Prozessfähigkeit erforderlich sein, um die Beschwerde einzureichen.
Unklar ist auch, wie sich die aus vorgenannten Gründen erfolgende Zurückweisung eines ansonsten rechtzeitig und richtig gestellten Insolvenzeröffnungsantrags auf die Strafbarkeit gemäß § 15a Abs. 4 InsO auswirkt. Soweit ersichtlich, wird diese Frage von der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.
Das Insolvenzgericht hat den Antragsteller im Fall eines unzulässigen Antrags aufzufordern, den Mangel unter Einräumung einer angemessenen Frist zu beseitigen (§ 13 Abs. 3 InsO). Im Hinblick auf die möglicherweise auch strafrechtliche Relevanz ist jedoch dringend zu raten, das Verfahren der Antragstellung bei einer führungslosen GmbH frühestmöglich mit dem zuständigen Insolvenzgericht abzustimmen.
C. Fazit
Der Gesetzgeber ist möglichen (missbräuchlichen) Beweggründen für die vorsätzliche Herbeiführung der Führungslosigkeit einer GmbH, wie die Verhinderung des Zugangs von Willenserklärungen oder die Umgehung der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags, durch geeignete Regelungen entgegengetreten. Gleichwohl birgt die Führungslosigkeit neben wirtschaftlichen Risiken auch in rechtlicher Hinsicht Fallstricke. Insbesondere beim Wegfall des letzten Geschäftsführers einer krisengeplagten GmbH in der Insolvenz ergeben sich nicht unerhebliche Risiken für die Gesellschafter. Es ist daher dringend zu raten, durch vorausschauende Personalplanung und geeignete rechtliche Vorkehrungen den Eintritt der Führungslosigkeit zu vermeiden.