Öffentliches Wirtschaftsrecht

Die beihilfefreie Finanzierung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben mit lokal begrenzter Bedeutung

Verfasst von

Kerstin Rohde

In der aktuellen Praxis stehen Kommunen und ihre Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Wirtschafts- und Tourismusförderung beihilfekonform auszugestalten. Eine nähere Überprüfung könnte in Fällen von kommunalen und städtischen Unternehmen erforderlich sein, die mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (DAWI) betraut wurden. Entsprechend dem Schreiben der EU-Kommission vom 31. Januar 2019 sind Tätigkeiten der Wirtschafts- und Tourismusförderung nur noch in engen Grenzen als DAWI einzuordnen. Aber nicht alle Städte und Kommunen haben ihre Betrauungspraxis entsprechend angepasst. Dabei gibt es eine Alternative zur DAWI-Betrauung.

Entscheidungspraxis der EU-Kommission und der Europäischen Gerichtsbarkeit

In den vergangenen Jahren entschied die EU-Kommission mehrfach, dass eine Handelsbeeinträchtigung und somit der Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen ist, wenn die ausgeübte Tätigkeit des begünstigten Unternehmens von lokal begrenzter Bedeutung ist. Diese Entscheidungspraxis der EU-Kommission wurde durch das EuG in zwei Fällen bestätigt.

Am 14. Mai 2019 bestätigte das EuG in der Rechtssache T 728/17 (Marinvest und Porting/Kommission) die lokal begrenzte Bedeutung des Betriebs von Yachthäfen durch öffentliche Versorgungsunternehmen. Die angebotenen Dienstleistungen, bspw. das Anbieten von Liegeplätzen, wurde überwiegend von Einheimischen genutzt und war nicht auf darüberhinausgehenden touristischen Gebrauch ausgelegt. Für diese Beurteilung zog die EU-Kommission eine detaillierte Wettbewerbs- und Marktanalyse heran.

Ebenfalls bestätigte das EuG am 19. Oktober 2022 in der Rechtssache T-582/20 (Interessengemeinschaft der Hoteliers und Gastronomen Region 10 e.v. (Ighoga Region 10)/Kommission) die von der EU-Kommission angenommene lokal begrenzte Bedeutung für den Bau eines Kongresszentrums. Auch hier ergab eine Wettbewerbs- und Marktanalyse, dass die Nutzung überwiegend durch in der Region Ansässige erfolgt, weil es vordergründig etwa für Abiturbälle örtlicher Schulen oder regionale Veranstaltungen örtlicher Vereine dient.

Voraussetzungen der lokal begrenzten Bedeutung

Die EU-Kommission nimmt den lokal begrenzten Charakter einer Tätigkeit an, wenn:

  • das Angebot der Waren oder Dienstleistungen in einem geografisch begrenzten Gebiet in einem einzigen Mitgliedstaat,
  • die Anreizwirkung für die Nachfrage aus anderen Mitgliedstaaten unwahrscheinlich und
  • allenfalls marginale Auswirkungen auf die Bedingungen für grenzüberschreitende Investoren oder die grenzüberschreitende Niederlassung

zu erwarten sind.

Für die Beurteilung des Vorliegens dieser Kriterien zieht die EU-Kommission regelmäßig Indizien heran. Neben den bereits genannten Wettbewerbs- und Marktanalysen sind das im Einzelnen u.a.:

  1. Angebot der Waren oder Dienstleistungen nur in einem geografisch begrenzten Gebiet in einem einzigen Mitgliedstaat

Die EU-Kommission bewertet zum Beispiel, ob die in Frage stehenden Tätigkeiten des Unternehmens überwiegend der ortsansässigen Bevölkerung zugutekommen und damit die regionale Nachfrage abdecken. Dies nimmt die EU-Kommission an, wenn im Gegensatz zu vergleichbaren Angeboten die betreffende Tätigkeit in Art und Umfang (Angebotsportfolio) stark begrenzt ist und daher nicht attraktiv genug ist, um über die Region hinaus die Nachfrage zu decken.

Die EU-Kommission geht von dem Vorliegen des Kriteriums zudem aus, wenn keine Teilnahme ausländischer Unternehmen an entsprechenden Vergabeverfahren erfolgte.

  1. Anreizwirkung für Nachfrage aus anderen Mitgliedstaaten unwahrscheinlich

Ein Indiz für die fehlende Anreizwirkung ist die mangelnde grenzüberschreitende Attraktivität des betreffenden Angebots. Dies zeigt sich insbesondere, wenn es an der internationalen Werbeaktivität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen fehlt. Erfolgt die Außendarstellung lediglich im Inland und in der nationalen Sprache, oder gar in dem heimischen Dialekt, kann angenommen werden, dass ausländische Touristen, Nutzer, Verbraucher etc. weder angezogen noch als Zielgruppe angesehen werden.

Als Indiz kann weiterhin der maßgebliche Anteil der Umsätze angesehen werden, der durch die Inanspruchnahme der betreffenden Tätigkeiten durch die ortsansässige Bevölkerung generiert wird. Dieses Indiz wird durch geringe oder keine Einnahmen aus einer grenzüberschreitenden Inanspruchnahme gestärkt.

  1. Marginale Auswirkung auf die Bedingungen für grenzüberschreitende Investitionen oder Niederlassungen

Mit Blick auf das Indiz der marginalen Auswirkung prüft die EU-Kommission, welches Verhältnis die vorliegende internationale Nachfrage in Bezug auf eine gesamtnationale Betrachtung einnimmt. Ist die internationale Nachfrage nach der betreffenden Tätigkeit im nationalen Vergleich ähnlicher Angebote unbedeutend (etwa unter 1%), sind die Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen und/oder Niederlassungen marginal.

Die marginalen Auswirkungen sind weiterhin erfüllt, wenn bspw. geplante Investitionen aufgrund der Gegebenheiten eines Ortes ausschließlich auf diesen Ort begrenzt ist oder es aufgrund der geringen jährlichen Einnahmen sowie geringen Umsatzsteigerungen unwahrscheinlich ist, dass das betreffende Unternehmen selbst grenzüberschreitende Investitionen tätigt.

Handlungsempfehlung

Für städtische und kommunale Unternehmen, deren Fokus ausschließlich auf der Förderung ihrer Region liegt, kann die Dokumentation, dass die finanzierte Tätigkeit von lokal begrenzter Bedeutung ist, eine gute Alternative zur DAWI-Betrauung sein. Regional begrenzt tätigen Unternehmen ist zu empfehlen, die Beihilfekonformität staatlicher Unterstützungsmaßnahmen auf den Ausschluss des Beihilfetatbestandes aufgrund des lokal begrenzten Charakters zu überprüfen. Dies erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten des Einzelfalls. Insoweit sollte der Nachweis der lokal begrenzten Bedeutung anhand geeigneter Unterlagen dokumentiert werden (z.B. Überblick über die einzelnen Tätigkeiten des Unternehmens und Einordnung mit Begründung für die Regionalität).

Co-Autorin des Beitrags ist Katrin Gerb.